„An sich sind wird jetzt schon peinlich.“
Es ist Freitag, 7 Uhr morgens. 6 Schwestern machen sich auf den Weg nach London. 3 von ihnen wurden von den anderen 3 jeweils geboren. Aber das sieht man der Gruppe nicht an, höchstens dann, wenn es dunkel wird und die Sonnenbrillen abgenommen werden. Aber das tut der Stimmung keinen Abbruch. Erster Stopp: Paris. Ja richtig, wir fahren mit dem Zug nach London. Klar, Umweltgründe waren das, was wir kommuniziert haben, aber der wahre Grund war eigentlich die Sektflasche(n), die wir im Eurostar geköpft haben. Dafür hatten wir uns mit bunten Plastikbechern vorbereitet. Genau die, die unsere Mütter schon mit auf den Spielplatz genommen hatten. Schon damals gab es unser 6er-Gespann. Angekommen in London, King‘s Cross, konnten wir direkt in unser traumhaftes Airbnb einchecken, das wahrscheinlich aktuell einen Bruchteil von dem kostet, was es zur Hochsaison kostet. Ab jetzt reisen wir nur noch Off-Season! Immerhin hat uns London auch - entgegen unserer Erwartungen - mit Sonne und Wärme begrüßt, weshalb wir direkt nach der Ankunft zum Coal Drops Yard spazierten. Das ist ein Platz hinter King’s Cross mit hippen Läden und Restaurants. So hip, dass wir die Briten beim Saunieren - mitten in der Innstadt - bewundern durften. Hätten wir ein Marmeladeglas mitgenommen, um all die schönen Momente zu konservieren, wäre das der erste Löffel. Der Moment im Pub in Camden, als uns ein aufstrebender Ed Sheeran mit Selbstinterpretationen unserer Liederwünsche beschallte, hat es leider nicht ins Marmeladenglas geschafft. Den Samstag durften Anja Pearl* und ich planen, wobei die Perle mich bei der Planung ausgeschlossen hat. Deswegen kam auch direkt ein seriöser Kulturpunkt (Photographers‘ Gallery), nachdem mich jede (außer die Aufreizende Anni) beim Vorschlag, ins Vagina-Museum zu gehen, im Stich gelassen hatte. Vielleicht wurde ich auch deswegen kurz danach bei der Planung ausgeschlossen. Ein kurzer Stop im Selfridges Kaufhaus führte uns zu einem echten HOTspot: Mercato Mayfair. Das ist eine ehemalige Kirche, die zu einem Food- and Cocktail-Market umgebaut wurde. Für unser katholisches Mädchen* eine „echte Zumutung“, mit der sie sich mittels grünem Curry wohl oder übel schneller als gedacht arrangiert hatte. Fürs Kulturprogramm (nicht die Fotos!!!) ging es weiter zum Buckingham Palace und dann direkt zum Westminster Parl-i-ament (nach Hannahs English-C2-Level-Aussprache), um den Brexit nochmal hautnah nachzuerleben. Für die Investigativ-Journalist*innen unter uns ein wahrgewordener Traum! Die Tea Time im Ritz-Hotel füllte unser Marmeladenglas bis zum Anschlag, weshalb die jüngere Generation sich erstmal zuhause ausruhen wollte. Doch nicht mit diesen Müttern! Ihnen zuliebe gingen wir noch ins Standard auf einen Drink - „aber dann ist Feierabend!“ Tatsächlich kamen sie nach uns heim, nachdem sie uns vorher noch als „so erwachsen“ und „so langweilig“ beschimpften. Am Morgen danach wurde uns hautnah geschildert, wer noch den middle-ager DJ mit dem Spruch „Hey, Mr. DJ!“ aufgerissen hat. Von ihnen können wir noch viel lernen. Aber, um es mal in Neudeutsch zu formulieren: What happens on the Insel, stays on the Insel! Oder, wie Igel* es formuliert: „Two flies with one clap!” Was uns direkt zu unserem nächsten Programmpunkt führt, geplant von Calimero* und Igel: Tea Time im Bus! Und Tea Time heißt in England auch immer mit ungetoastetem Toastbrot und Patisserie, was ja an sich optimal für den ersten Programmpunkt wäre. Das Blöde nur: Es war nicht der erste Programmpunkt. Davor verschlug es uns - wie der Zufall es wollte - ins abgefahrene Walkie-Talkie zum Sky Garden mit Blick auf ganz London. Das ist laut eigenen Angaben der höchste Garten in London. Der Blick aus dem 35. Stock ist atemberaubend, das Café viel zu verlockend, um es zu ignorieren, weshalb wir dort schon unsere erste private „Tea Time“ hatten („Kommt Leute, den Kuchen nehmen wir auch noch mit!“). Aber das größte Highlight wartete ja noch: ABBA Voyage! Wobei hier die Frage ist: Kann man von einem Highlight sprechen oder ist es ein ungeahnter Lebenstraum, der damit in Erfüllung ging? Ja, mir wurde schon öfter gesagt, dass ich eine Drama Queen bin (wobei ich wegen meiner feuchten Aussprache diesen Urlaub eher zur Lama Queen wurde), aber hier übertreibe ich nicht. ABBA Voyage liefert eine Show, die niemand von uns so jemals zuvor erlebt hatte. Sie. Ist. Perfekt. Man erlebt einen Mix aus Emotionen, Witz, Party, Glitzer, Funk, feinster Technik - und kann auch noch mitsingen (thank God!). Es war atemberaubend und so viel mehr, als ich mir jemals hätte vorstellen können. Jede von uns. Schwer in Worte zu fassen, einfach schön. Der perfekte Abschluss einer unglaublichen Reise mit unseren Müttern, bevor es heute (Montag) wieder nach einem Walk im Regent Park (danke Annö (und Nici)) zu den Primrose Hills und danach wieder mit dem Eurostar nach Hause ging. Wir Töchter haben bereits beschlossen: „Wir würden nochmal mit euch reisen gehen, sonst gönnen wir uns nie so viel“, was nur mit einem „Wir gönnen uns normalerweise auch nicht so viel…“ abgetan wurde. Summa summarum (klingt schlau) geht jede mit gefüllten Marmeladengläsern nach Hause und das zeigt ja: So zu cool können unsere Mütter für uns ja nicht sein (auch wenn meine Mutter immer noch nicht offiziell mein BFF sein möchte …). Aber von Marmelade haben wir jetzt trotzdem erstmal genug! * Die Namen wurden von der Redaktion geändert.
1 Kommentar
Schaut man unser geteiltes iCloud-Album an, könnte man meinen, wir wären ein halbes Jahr in der Schweiz gewesen. Aber es waren nur 2 ½ Tage.
Hannah, Eva, Matze, Greggy, Hendrick, Sami und ich waren in Savognin (Schweiz). Wer die Namen hinter Hannah und Eva nicht kennt, ist nicht allein. Ich kannte sie jetzt auch nicht so gut. Aber als ich gefragt wurde, ob ich mitkommen will, sagte ich nicht nein. Nach diesen 2 ½ Tagen kann ich sagen: Jetzt kenne ich sie deutlich besser. Und es ist immer wieder faszinierend, wie ein Bild von Menschen, die neu in ein Leben treten, innerhalb kürzester Zeit um viele kleine Puzzleteilchen erweitert werden kann. Am Anfang kennt man die Basics, steckt die Menschen recht schnell in seine geöffneten Schubladen, um sich ja nicht die Mühe zu machen, neue Schubladen zu öffnen. Damit mich niemand falsch versteht: Das sind keine besonders wertenden Schubladen, aber es sind Schubladen, um Menschen recht schnell einzuordnen und zu entscheiden: Geh ich da mit oder nicht? In diesem Fall war ich relativ schnell sicher: Ja, da gehe ich mit! Und so trafen wir uns am Freitagabend – nach mehreren Umwegen (wegen Google, nicht mir!!!!) am gedeckten Raclette-Tisch in Savognin. Der nächste Tag brachte bestes Wetter und viel Motivation, immerhin schon um halb 2 (13:30) die Wanderung zu starten. Leider konnte Eva nicht mit, weil sie etwas angeschlagen war und die Ruhe vor dem Sturm (Spicy Pasta by Greggy) genießen wollte. Der Rest stieg beherzt die paar Hundert Höhenmeter an, die ab und zu durch Pausen zum „Fotomachen“ unterbrochen wurden. Ob die Fotos wirklich so wichtig waren oder einfach nur gemacht wurden, um die Bergziegen unter uns zum Pausieren zu kriegen, sei mal so dahingestellt. Spätestens im geschlechtergetrennten Saunieren kamen dann alle wieder zur Ruhe, bevor der großangekündigte Sturm (Spicy Pasta) von Greggy alle ins Knoblauchkoma versetzte. Nur ein kurzer Gemeinschaftstanz aus den jüngsten Zumbakursen brachte wieder Wind in die Gemeinschaft und genug Ehrgeiz, um sich bei Activity mit wilden Pantomime- und Zeichnungsinterpretationen am Abend zu vergleichen. Wer denkt, das erträgt man nur mit Alkohol, der irrt: Insgesamt haben wir in der gesamten Zeit nur 2 ½ Flaschen Wein und Sekt getrunken, wovon Hannah bereits vor unserer Ankunft eine Flasche für sich selbst beansprucht hatte. In diesen 2 ½ Tagen wurden die Schubladen gefüllt: mit Geschichten, Witzen, Bekenntnissen, Fragen, Komplimenten und Meinungen. Sodass ich wieder einmal gemerkt habe, dass das Bild vom Anfang nur ein Pixel der Geschichte eines Menschen ist. Toskana, 2023. Weiß-graue Wolken zieren den Himmel. Immer wieder kämpft sich die Sonne durch, doch die Wolken bleiben dominant. Um den Kopf schwirrt eine Fliege ihre hundertste Runde, mal von links nach rechts, mal andersherum, mal ganz nah, mal weiter weg. Und immer wieder fragt man sich: Was ist eigentlich dein Lebenssinn? Irgendwo im Gras zirpt eine Grille. Das Wasser im Pool schwappt gegen den Beckenrand, seichter Wind weht. Vor mir der weite Blick auf Zypressen und Olivenbäume, gestört nur durch ein weißes Bein, das seit Anfang Mai darauf hofft, etwas Bräune mitzunehmen, aber nicht mal die Toskana kann Abhilfe schaffen.
Neben mir höre ich ihren Atem und ab und zu ein vibrierendes Handy. Kurz ändert sich der Atem - immerhin könnte die Nachricht wichtig sein - doch dann wird er wieder langsamer. Sind wir ehrlich: Wann war die letzte Nachricht wirklich wichtig? Mit sie meine ich übrigens Hannah, Eva, Anni, Caro und Caros Hund Mira. Und obwohl wir nicht in der Nähe vom Meer sind, und damit fern von Wellen, spüre ich sie. Es muss nur einer etwas sagen, ein Geräusch passieren - und die ganze Gruppendynamik ändert sich, türmt sich auf, wird immer lauter, alle lachen, kreischen, bis es zu viel wird, und auf einmal alle wieder anfangen zu lesen oder zu essen. Diesen Kreislauf durchleben wir hier in Monte San Savino in Italien täglich mehrere Male: beim Aufstehen, wenn Mira den Tag für alle anderen anbricht; beim Frühstück, wenn alle von ihren wilden Nächten mit den Stechis berichten; beim Spielen, wenn einer seine Taktik ändert, um ernsthaft zu gewinnen; beim ersten Aperitif, wenn zu den steigenden Promillen auch noch 3 Babybäuchlein heranwachsen. Und zwischen diesen Momenten aus einfach nur reden um zu reden und ab und zu deep Talk erleben wir auch Momente wahren Glückes: Als wir zum Beispiel den Montag ganz leger in Monte San Savino mit einem Käffchen und Croissantchen starteten. Nicht mal der Platzregen und das Gewitter konnte uns davon abhalten, das Beste aus diesem Moment zu machen: eine Instagram-Story, auf die trotz Skript und mehrfacher Teilung maximal 3 Leute mit Flammen-Emoji reagierten. Auch der Tag danach in Arezzo brachte neben super diversen neuen Outfits die Erkenntnis eines Fans: Gab‘s die Leinenhosen im Sonderangebot? Doch das Gute an uns allen ist: Uns ist die Meinung von anderen sowas von egal - immerhin sind wir Highperformer - weshalb die Stimmung immer gut ist. Nicht mal Alkohol muss da nachhelfen, wobei der bei der Weinprobe am Mittwoch auch nicht nicht geholfen hat. Markus (Hannahs Papa) hatte sie uns spendiert, was wir nicht ablehnen wollten („einem geschenktem Gaul schaut man nicht ins Maul..!!!“): Nach dem ersten Kaffee empfing uns um 10:30 Uhr Andrea auf dem Weingut Agricola Fabbriche Palma und fütterte uns mit interessanten Fakten, guten Tropfen und toskanischen Delikatessen. Ein Traum! Nach 2 Stunden kam kurz Panik auf, weil Hannah bemerkte: „Leute! Wir müssen jetzt weitertrinken, sonst schlafen wir ein!!!!!“, was ⅘ der Gruppe nach einem kurzen Espresso in Lucignano zuhause mit Aperol Spritz am Pool tapfer bekämpfte. Heute ist der erste wunderbare (wir wollen in Zukunft mehr Adjektive als „so nice“ und „meha“ verwenden) Pooltag, den wir mit wellenartigen Unterbrechungen von morgens bis abends ausnutzen werden, bevor es am Sonntag wieder heimgeht. Morgen werden wir nach einem sonnigen Pooltag in das Restaurant „Le Bindi - bottega di cuoco“ gehen, wo man uns für 35€ pro Kopf ein 7-bis-9-Gänge-Menü servieren wird (habe ich schonmal erwähnt, dass ich Italien liebe?). Danach treffen wir 2 Locals in Arezzo, weil dort die Stadtviertel Wettkämpfe gegeneinander veranstalten und danach Party machen. Wir skippen den Teil mit dem Wettkampf und kommen direkt zur Party - auch wenn wir vorgewarnt wurden, dass in unserem Stadtviertel eher so Hufflepuff U16 herumschwirrt… Wir wollen aber zu den Bad Boys von Slytherin! Und so fließen die Tage an uns vorbei, wie eine Welle, die immer wieder neue Grenzen überschwappt, mal leise ist, dann ausholt und in purem Gelächter aufschlägt. Aber irgendwie schwimmen alle auf der gleichen Welle, keiner geht unter, und wenn, dann holen die anderen ihn wieder aufs Brett - spätestens wenn Hannah jeden Abend von Bett zu Bett schleicht und feuchte Luftküsse verteilt. Und so ist der Urlaub umhüllt von Wärme - trotz mangelhafter Sonnenleistung - weil sich um mich nur Highperformer tummeln, die den Urlaub so unvergleichbar machen. Hier erlebe ich Freiheit und Liebe für die Menschen, die ich über 20 Jahre kenne oder durch 4 Monate WG intensiv kennenlernen durfte. Einfach meha. Das war wohl die kürzeste Rom-Urlaubsplanung, die je stattgefunden hat. 5 Minuten Recherche und dann das Zwischenfazit: „Lass in die Schweiz gehen.“ Die Idee: Dann haben wir auch noch Geld für Wellness übrig, weil wir kein Airbnb 50 Kilometer außerhalb des Stadtkerns buchen müssen, sondern zu uns in die Wohnung gehen können. In der Tat sind auch in Italien die Preise gestiegen. Und – nicht weniger wichtig – wir haben keinen Stress. Urlaub ist doch für die Erholung, oder?
So habe ich es zumindest von meiner Familie gelernt, wobei das laut JA9A bei uns Ausmaße annimmt, die „gewöhnungsbedürftig, aber optimal“ (Betonung auf das „p“) sind. Tatsächlich gehört meine Familie nicht zu den Bergziegen, die jemals um 7 auf dem Berg standen. Oder zu den Tüftlern am Frühstückstisch, die ihre Pläne für den Tag besprechen. Bei uns läuft es normalerweise eher so ab: Einer fragt beim Frühstück um 11: „Wer will heute wandern/auf die Piste?“, eine, maximal zwei Personen melden sich, der Rest überlegt noch. Diesen Hauch des In-den-Tag-Lebens habe ich nun auch JA9A zugepustet - und sie hat ihn inhaliert. Das ist mir spätestens dann aufgefallen, als ich gerade das Gespräch mit unserem Nachbar, den ich schon seit über 20 Jahren kenne, aber dazu gleich mehr, beendete und JA9A um 12 Uhr fragte: „Sollen wir mal frühstücken?“ Ja, man gewöhnt sich einfach zu schnell ans Ausschlafen, der Rhythmus verschiebt sich. Ist aber auch nicht so, dass wir hier die Nächte durchgezecht haben. Ganz im Gegenteil: Als wir den CUFF-IT-TikTok-Trend (den einzigen, den ich kenne) lautstark nachtanzten, klingelte es auch schon an der Tür: „Nein, ihr seid nicht alleine. Ja, wir hören alles.“ Ups. Komischerweise schauten wir extrem gute Netflix-Filme, machten Yoga am Abend (eigentlich nur Meditation, aber Yoga klingt sportlicher) oder starrten die Wand an, während wir Musik hörten. So wie damals, als Langweile noch bedeutete, dass man wirklich gar nichts zu tun hat. Fürs Essen orientierten wir uns an den Listen, die ich mit meinen Mädels und Unileuten gesammelt und optimiert hatte. Passend zu Halloween kauften wir auch einen Kürbis und träumten von unseren Schweizer Freunden, die uns zu ihren Halloween-Partys einluden, die wir dann mit unserem geschnitzten Kürbis bereicherten. Da wir aber weder Freunde noch Partyeinladungen hatten, mussten wir unseren Kürbis wohl oder übel einfach aufessen. Natürlich wanderten wir auch, was mir wieder mein Selbstvertrauen zurückgab, nachdem es letztes Jahr von meinen Mädels komplett zerstört wurde. Die obligatorische Route zum Caumasee ist Pflicht in meinem Ich-zeig-euch-die-Welt-Programm. Am nächsten Tag erhöhte ich allerdings um ein Level und setzte das nächste, (für mich) furchteinflößende Ziel: Laaxersee. Dafür nahm ich wieder meine Komoot-App zur Hand, die erneut darauf beharrte: "Diese Route dauert nur 1 Stunde und 45 Minuten." Letztes Mal hatte ich die Zeit zum Leid aller anderen verdoppelt, weil dreimal falsch navigiert. Dieses Mal hielt ich mein Handy in der Hand, navigierte uns zurück, sobald wir die Route auch nur um einen Millimeter auf dem Handydisplay verließen. Und siehe da: Es. Hat. Geklappt. Wir kamen nach ungefähr 1 Stunde und 45 Minuten an. Nachdem das Pflichtprogramm abgearbeitet war, wartete am Sonntag das Kürprogramm auf uns, auf das ich mich schon sehr freute, weil ich es in den letzten 20 Jahren nie gemacht habe: ein Spa-Tag im Waldhaus. Das Waldhaus ist ein Fünf-Sterne-Hotel in Flims, bei dem die Nacht Minimum 1.000 Franken kostet. Ich traute mich nie zu schauen, wieviel dann ein Spa-Tag kosten würde. Als ich mich doch dazu überwand, die Überraschung: 60 Franken für 3 Stunden Sauna, Spa, Obst und Kaffee. Dazu waren wir bereit und es lohnte sich. Vollkommen. Es war so sauber, kein einziges loses schwarzes dickes kleines Haar. Ein Traum. Doch das war nicht das einzige Novum, das sich mir in Flims auftat. Am Montag nahm uns unser Nachbar mit nach unten zum Caumasee und zeigte uns eine Strecke nach Conn, die ich noch nie gemacht hatte. Ernsthaft. Sie führt genau am Caumasee vorbei. Dort gelangt man zu einer Aussichtsplattform, die ungesichert über der Rheinschlucht liegt. Der Blick ist so unfassbar, dass unsere Gehirne ein paar Minuten gebraucht haben, um die ganzen Pixel zu verarbeiten. Mir ist schon bewusst, dass Pixel nur digital existieren, aber "Eindrücke" klang mir zu altmodisch. Es war wunderschön. So schön, dass ich die Route gleich in mein Ich-zeig-euch-die-Welt-2-Programm aufgenommen habe. Und, muss ich es noch erwähnen? Heute gehen wir. Heute ist das Wetter schlecht. Davor hatten wir jeden Tag Sonne, konnten zum Teil in kurzer Hose herumlaufen. Das wollte ich nochmal erwähnen, aber vielleicht ist das Wetter inzwischen auch ein guter Rausschmeißer, um den Beitrag zu beenden. Wie berichtet man über ein Wochenende, das überquillt von Witzen, die hauptsächlich auf Momentkomik und darauf basieren, dass die Gruppe sich schon lange kennt - vor dem Hintergrund, dass es auch noch witzig erzählt sein soll? Oder anders: sodass wir es nächstes Jahr auch noch lustig finden? Ich glaube, es ist unmöglich, aber ich versuche es:
Nucki, Juli, Jojo, Paddy und ich waren wieder in Flims in der Schweiz. Leider konnte Juli Höfer nicht mit, weshalb wir auch Bilder mit Platzhalter für spätere PhotoShop-Künste geschossen haben. Leider sah ich auf denen aber blöd aus, weshalb ich ein anderes genommen habe. Wie heißt es so schön floskelig? Wer schreibt, der bleibt. Da von unserer Sechser-Clique inzwischen 5 von 6 wieder in Stuttgart wohnen, verabredeten wir uns in Flims - die anderen kamen aus Stuttgart, ich aus München. Also fuhr ich am Donnerstag nach Flims und wartete auf die anderen 4, die sich lieber in Österreich und der Schweiz verirrten und damit doppelt so lange unterwegs waren, als ein paar Euro für Vignette und Datenroaming zu zahlen. Grüezi im Ländli, wo der Reschd zum Glück grotis ias! Tatsächlich haben wir am Freitag in einem süßen Café in Flims Dorf (dank Mama) ein Event gefunden, für das wir nichts zahlen, sondern nur staunen, trinken und essen mussten. Es war unser einziges Kulturli-Programm: Eine Lesung von einer jungen Flimserin, Christina Ragettli (und nein, ihr Name endet wirklich mit „-LI“), die mit „pink lackierten Nägeln“ bewiesen hat, dass ein Mädel alleine die Alpen in 4 Monaten überqueren kann. Darüber hat sie ein Buch geschrieben, das bei einer Auflage von 2.000 gleich ausverkauft war. Vielleicht interessanter Hintergrundfakt: Flims zählt 2.600 Einwohner. Vielleicht erwähne ich das auch nur aus Neid, weil ihr Blog immerhin auch stabile 2.000 Abonnenten hatte. Betonung liegt auf „stabil“ ... Die Lesung war spannend gestaltet! Später gab es noch Getränke, Gazpacho und Brot mit Baba Ganoush und Humus. Das hatten wir uns verdient, schließlich kamen wir von einer Wanderung auf Startgels, die sommerlich und trocken begann und grau und nass endete. Startgels ist eine Hütte, die auf rund 1.600 Höhenmetern liegt und w u n d e r b a r e selbstgemachte Limonaden anbietet. Möglicherweise hatte ich sie ein bisschen zu gut angeteasert, aber manchmal ist es verrückt, wie man als Kind etwas vergöttert hat und man später nicht mehr so begeisterungsfähig ist. Damit meine ich meine Freunde, nicht mich. Ich war immer noch begeistert von der Thymianlimo! So gemütlich (schlechtes Wetter gibt es nicht!) der Freitag endete, so fidel startete der Samstag, dessen Sonne uns den ganzen Tag begleitete, sodass wir einen gemütlichen Tag am Laaxer See verbrachten, Spiele spielten und abends grillten. Viele von uns sind inzwischen zum Veggie-Lifestyle konvertiert, ich betone es immer nur und behaupte dann: „Ach, irgendjemand muss doch die gekauften Würstchen essen, sonst sind die Tiere umsonst gestorben!“. Manchmal muss man nichts sagen, sondern einfach machen. Oder auch nicht. So wie Paddy, die den „Französischen“ ganz neu für sich interpretiert hat und sich eines Abends wortlos zurückgezogen hat. Ist ja ok, machen viele, aber neu war, dass sie es gemacht hat, als wir gerade noch mitten in einer Gemeinschaftsunterhaltung gefangen waren. Es ist jetzt der „Paddysche“. Auch der Sonntag startete wieder optimistisch, weshalb wir ihn mit einer "yogastunde by françis" begannen, Juli wieder gut gelaunt unseren Lift-Beobachtern zuwinken konnte und wir nach dem Frühstück nicht weniger optimistisch zum Caumasee aufbrachen. Doch nach exakt 1,5 Stunden prassten gefühlte 2,4 Tonnen pro Quadratmeter Regen auf uns ein, weshalb wir schnell die Flucht ergriffen. „Geld ist ein Kreislauf“ und „Karma comes back“ - all die Sprüche von diesen Influencern, die die Weisheit irgendwann mit einem ihrer goldenen Depot-Löffel gefressen haben, scheinen doch auch zu stimmen: Letztes Jahr hatten wir uns reingesneakt, indem wir sagten, wir gehen nur ins Restaurant für 1,5 Stunden, um dann weniger zu zahlen und länger zu bleiben. Dieses Mal war es genau andersherum. Ja, Karma comes back! Aber wir machten es uns zuhause wieder einmal gemütlich und führten unsere Serie der 2022 erschienenen Netflix-Filme fort, bei denen Netflix wohl an intellektuellen Dialogen gespart, dafür aber bei den Klischees ordentlich Budget zur Verfügung gestellt hat. Erst der letzte Film („Friendzone“) war wirklich sehenswert! Heute morgen machten wir klar Schiff, gingen spazieren und trennten uns an der Grenze zu Österreich. Ob ich möglicherweise zu früh raufgefahren bin, wird sich in den nächsten Monaten im Briefkasten zeigen. Jedenfalls - um den Titel noch zu erklären - unterrichtet Juli (Deichl) inzwischen einmal pro Woche und da wir jede ihrer Aktionen mit „Wenn Frau Deichl …“ kommentiert haben und „Flims“ wegen einer ungewollten Autokorrektur in „Flinders“ umbenannt haben, ist der Titel nicht nur genial, sondern auch lustig. Heute wie damals. Wenn der Opa mit 88 noch seinen „Pongo“ per Startsprung in den Pool schwingt, dann ist in diesem Moment alles in Ordnung. Zwar nicht in der Welt, auch nicht für immer, aber in unserem Moment schon. Die Woche hat mir erneut vor Augen geführt, wie wichtig die Familie ist. Oder viel mehr noch: was Familie wirklich ist.
Die Großfamilie Heiler war eine Woche auf Mallorca, Felanitx; für viele unvorstellbar, manche sogar ein Albtraum, aber wir machen das freiwillig – und liebend gerne. Verzichten mussten wir dieses Jahr leider auf Johanna, Manu und Ben. Doch die Zahl der Teilnehmer hat sich im Vergleich zu den letzten Jahren kaum verringert, schließlich wurden wir um Ferdi und Olivia bereichert, was uns zu einem Vier-Generationen-Haushalt mit 20 Personen machte. Ein Vier-Generationen-Haushalt mit viel Freude am Essen, Entspannen, Erleben. Ein Vier-Generationen-Haushalt, der teils kontroverse Diskussionen bei Obstsalat und Kaffee begann und zwischen Tapas und Rotwein beendete: über Genderwahnsinn, Wertevorstellungen und Statussymbole. Das, was die Generationen zum Teil trennt, zum Teil aber auch verbindet. An der Tischtennisplatte ging es dann in die zweite Runde. Die Aussage „Das haben wir damals anders gelernt“ gilt nicht mehr. Weder im Tischtennis noch in der Sprache. Vieles hat sich geändert, aber das Wesentliche bleibt. Auch kamen Lorenz und ich in den Genuss, uns ein Zimmer zu teilen. Doch im Vergleich zu 2013, als ich ihn zum Weinen gebracht habe, weil ich ihm um 10 Uhr das Licht ausgeknipst habe, sind wir heute weiter: Er durfte sein kleines Licht noch anlassen – bis 11 Uhr. Die wilden Partyzeiten sind wohl vorbei. Oder doch nicht? Zum Ballermann ging es am Mittwoch – auf Wunsch von Opi! Er wollte unbedingt in die Schinkenstraße, doch als er wohl gesehen hat, dass weder Melanie Müller noch Ikke Hüftgold anwesend waren, ging es nach einer Stunde (wovon 55 Minuten das Mittagessen ausmachten) wieder nach Hause. Dort wartete Omi auf uns und nahm uns mit in den riesengroßen Obstgarten, wo wir Orangen und Zitronen für den Orangensaft beim Frühstück pflücken konnten. Auch kamen Mama, Papa, Lorenz und ich Rafael Nadal näher, weil wir seine Heimatstadt Manacor besucht haben und in seinem Lieblingsrestaurant „Sa Punta“ (fast ein Geheimtipp!) gegessen haben, aber entgegen Mamas unausgesprochenem Wunsch, hat er nicht vorbeigeschaut, um sie zu einem Match aufzufordern. Wahrscheinlich hat ihm niemand gesagt, dass "Anja Ungeschlagen" vorbeischaut. Die Enttäuschung zog schnell von dannen als Robbi uns in die Sportart Padeltennis einführte, eine der beliebtesten Sportarten auf Mallorca. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Squash und Tennis, wobei der Platz umgeben von einer Wand ist, dort aufspringen darf und die Schläger dicker sind als Tennisschläger. „Perfekt, um zu zeigen, was ich kann!“, dachte ich. Doch scheiterte es leider an der Performance und ich musste nach 2 Stunden einsehen, dass ich vielleicht doch nicht das Tennistalent der Familie bin, sondern eher mein Bruder. Glücklicherweise liest er aber nicht meinen Blog, weshalb er die Wahrheit nie erfahren wird. Als JA9A (Ja-nine-a, auf englisch) eines Tages mit dem BlaBlaCar von Stuttgart nach Köln fuhr, ahnte sie nicht, welch Goldstück sie im Auto mitnahm: die Inhaberin einer Agentur, deren Auserwählte über Hotels berichten – und dafür wohl oder übel in den Hotels übernachten müssen. So nun auch JA9A, die sich dafür ab und zu freinimmt, kostenlos übernachten und essen darf, dafür, dass sie im Anschluss einen ein- bis zweiseitigen Bericht erstattet. Das Beste: Sie darf jemanden mitnehmen. Dieses Mal fiel die Wahl auf mich, ein Toskana-Fan, der seit den letzten fünf Tagen ein noch größerer Fan vom bella vita der Italiener ist. Die zwei Hotels, über die sie dieses Mal berichten musste, befinden sich in Lucca, einer Stadt, von der ich das erste Mal in meinem Italienischkurs gehört, ihr aber nicht weiter Beachtung geschenkt hatte. Und ja: Ich hatte Italienisch im Abi, weshalb ich es natürlich nicht verpassen wollte, es jedem, der mich anschaute, zu präsentieren – ad hoc! So auch in der ersten Tankstelle auf italienischem Boden, wo ich anfing, in den Tiefen meines Wortschatzes zu kramen und den Satz „Wo sind die Toiletten?“ in meinem besten Italienisch auf der Theke auspackte – dies wurde allerdings nur mit einem charmanten „Hinten links!“ weggewischt.
Bologna wählten wir als unseren ersten Zwischenstopp aus, wo ich – was auch sonst – Spaghetti Bolognese bestellte. Dieses Mal hatte ich die Worte schon vorbereitet, JA9A entschied sich für die englische Variante, was bei den Italienern inzwischen fast überall erwidert wird. Bologna ist schön, klein, eher touristisch – allerdings wurde unser erster Eindruck auch durch den Regen getrübt. Ein paar Stunden weiter südlich kamen wir in Lucca an, eine historische, kleine Stadt, deren Mauer noch durchgehend das Städtchen umschließt. Untypisch, denn obwohl die meisten Städte in Italien von Mauern umhüllt werden, stehen die wenigsten noch so makellos da, wie in Lucca. Das macht die Stadt so geheimnisvoll und familiär. Wie uns die Koordinatorin des Hotels „Grand Universe“ – sehr zu empfehlen, wirklich, ich bekomme nichts dafür! – erklärte, lässt Lucca auch keine internationalen Ketten in die Stadt, um das italienische Flair beizubehalten. Das einzig Internationale, was sie importieren, sind Sänger wie Justin Bieber (!!!), der im Sommer nach Lucca kommt und damit vielen anderen Superstars folgt. Tatsächlich: Lucca ist eine Stadt des Feierns. Und auch shoppen und essen klappt hier ganz gut: Eine Boutique reiht sich an die andere; in den Gässchen riecht es nach Leder, Pizza und Kaffee. Und Regen. Ja, ich gebe es zu, möchte dem ungewohnt schlechtem Wetter aber nicht zu viel Bühne schenken, aber dennoch: Das Wetter war nicht unbedingt so, wie wir es uns vorgestellt hatten, weshalb wir auch gerne Zeit im Hotel verbrachten, um „auszukurieren“ und Infomaterial für JA9As Berichterstattung zu sammeln. Am nächsten Tag musste ich sowieso arbeiten, was also mal wieder p e r f e k t passte. Am Nachmittag zog das Wetter auf, sodass wir uns vom Hotel aus Fahrräder ausleihen und auf der breiten Mauer entlangfahren konnten, auf der uns Jogger, Spaziergänger und Musiker entgegenkamen. Von oben kann man auch immer wieder in die Stadt einkehren, was wir auch wahrnahmen, um einen Weltklasse-1-Euro-Cappuccino zu uns zu nehmen, wo ich mit meinem Italienisch wieder einmal nur brillierte und auf Oder-Fragen einfach nur noch mit einem lässigen „Sí, sí, sí, sí, sí …. Sí!“ konterte. Für unser Abendessen holten wir uns einen Geheimtipp von einer einheimischen Taschenverkäuferin, die uns die wohl unscheinbarste Pizzeria (in die wir ehrlich gesagt auch niemals gegangen wären) empfahl, die uns Pizzen servierten, die selbst mich sprachlos machten! Hat niemanden gestört. Das Schöne an Lucca ist auch, dass es nicht weit entfernt von Florenz und Pisa liegt, weshalb wir am Samstag gleich mehrere Fliegen mit einer Klatsche fingen und zum Shopping nach Florenz fuhren. Dort sahen wir – auch wenn es meine Mutter nicht glaubt – an einem Mittag relativ viel (gute Lädchen) von der Stadt, beobachteten die Kultur (vor allem an den Menschen), und flanierten entlang der wichtigsten Stellen wie den Ponte Vecchio und die Cattedrale Santa Maria del Flore – allerdings mit Sicherheitsabstand. Sicherheitsabstand deshalb, weil wir „sicher gehen wollten“, dass wir auch keinen guten Laden verpassen. So oder so: Wir beide kannten Florenz bereits, weshalb wir den Kulturpart an einigen Stellen vorspulen konnten. Unser Hotel hatte uns auch ein Picknick mitgegeben, das wir vor dem schiefen Turm von Pisa zu uns nehmen wollten. Einfach, um sagen zu können: "Wir haben vor dem schiefen Turm von Pisa gepicknickt." Viel mehr gibt es auch nicht in Pisa. Drei Stunden haben auch da gereicht. Als die Sonne am Sonntag wieder Lucca erhellte, dachten wir: „Jetzt fahren wir schnell zum nächsten Hotel, damit wir da auch ja alles mitnehmen können – solange das Wetter noch gut ist!“ Schade, denn dort regnete es und der Spa-Bereich, mit dem das Hotel lockte, war auch nicht das, was wir uns vorgestellt hatten. Es ist Meckern auf höchstem Niveau, aber wir werden ja auch dafür bezahlt. Also JA9A, aber meine Zeit kommt sicher auch noch. Später fuhren wir nach Barga, ein süßes kleines Örtchen, das Italien wahrscheinlich präsentiert, wie es ist: ruhig, christlich, eng – und wunderschön! Dort tranken wir einen Kaffee, zahlten 2,40 Euro für beide Cappuccini und gingen zurück ins Hotel, das uns mit tollen aperitivi, primi sowie secondi piatti empfing. Dort trafen wir auch die Koordinatorin, von der wir uns die ganzen Insidertipps holten, die ich hier unauffällig einbaue. Am Montag fuhren wir über Eis, Schotter und Schnee (Hauptsache keine Mautgebühr!) mit Sommerreifen (!!) direkt nach Verona, um dort zu Mittag zu essen. Leider hatten wir für diese Stadt am wenigsten Zeit eingeplant, obwohl sie mit Abstand die schönste von allen ist (und das war schon schwer zu übertreffen). Sie ist so wunderschön, dass die UNESCO sie 2000 zum „Kulturellen Erbe der Menschheit“ erklärt hat. Spätestens seit Shakespear gilt sie als romantischste Stadt Italiens, weshalb wir gleich zu Julias Haus (Casa di Giulietta) pilgerten, wo sich der berühmte Balkon von Romeo und Julia befindet. Doch anstehen, um den Balkon von Nahem zu betrachten? Niemals! Die Schlange war unendlich lang, wir hatten zu wenig Zeit – und nun einen Grund, bald wiederzukommen. In der Sekunde, in der uns Hannah erklärte, dass sie ihr Auslandssemester in Bergen, Norwegen verbringen werde, lagen Heidis und mein Finger unmittelbar auf der Maus - ein Klick von „Buchen“ entfernt. Wenn wir sagen, wir kommen, dann kommen wir. Also sah man mich am Mittwoch um 4 Uhr morgens die Wohnung in München verlassen und um 12 Uhr den Duty Free in Bergen betreten: Hannah hatte mich schon vorgewarnt, aber dass selbst im Duty Free die billigste Sektflasche 10 Euro kostet, hätte ich nicht gedacht. Auch sind die Norweger sehr streng in Bezug auf Alkohol, weshalb ich auf dem Flughafen „nur“ 2 Flaschen einkaufen durfte. Der erste Kulturschock konnte unser Wiedersehen allerdings nicht trüben: die Stimmung stieg, der erste Korken knallte, bevor wir leicht angeschwippst durch die Stadt und zur Landzunge Nordnes flanierten. Bergen ist eine kleine norwegische Stadt mit vielen bunten Häuschen, Lädchen, Fjördchen und schönen Menschen. Hier fühlt man sich von Anfang an wohl! Wieder einmal hatten wir Glück mit dem Wetter - wobei: Kann man das bei mir noch Glück nennen? Laut Hannah ist es sogar eine der meistbesuchten Städte Europas, aber woher sie diese Angabe hat, wollte sie mir noch nicht verraten… Was allerdings sicher ist: Hier gibt es viel zu erkunden und zu bewandern, sodass wir täglich auf minimum 10.000 Schritte kamen und am Abend nicht mehr schafften, als LOL oder „Die Wilden Hühner“ zu schauen. Hannahs Mitbewohnerin Sabrina war wahrscheinlich schockiert, nachdem wir auf den Fotos auf Hannahs Bilderwand eher nach Spaß und Abenteuer aussehen als Fred-und Sprotte-Fans.
In der Nacht auf Freitag kamen dann auch Celine und Heidi nach, die auf (!) keinen (!) Fall (!) mehr als einen Urlaubstag hergeben wollten. Während Hannah kaum ein Auge zubekam (und nein, das lag nicht daran, dass Fred Sprotte fremdgegangen ist, sondern viel mehr daran, dass sich der Flug verspätete, sodass die beiden den Zug in die Innstadt verpassten), merkte ich, wie mir der Schlafentzug von Mittwoch und die vielen Eindrücke so zusetzten, dass ich zu müde war, um mir Sorgen zu machen. Oder vielleicht bin ich auch einfach zu entspannt. Den Schlaf holte ich mir allerdings bis 9 Uhr nach, bevor ich von Hannahs schrillen Stimme geweckt wurde, weil sie den Schlüssel nicht bei sich hatte: Hannah hatte Frühstück geholt! Das brauchten wir auch für unser nächstes Programm-Highlight, einer Sauna direkt am Steg, von der aus wir in das 3 Grad kalte Wasser springen konnten. Danach fühlten wir uns wie neue Menschen, so gesund und rein, was wir auch nicht nur einmal betonten. Danach bummelten wir durch die Stadt (Geld ausgeben geht hier gut!), fuhren mit der Fløibahn auf den 320 Meter hohen Fløyen (das ist ein Berg), spielten im Trollgarten und wanderten wieder ins Städtle, um dort für den traditionellen Tacos-Friday die Lebensmittel einzukaufen. Nach so vielen Sinneseindrücken und 20.000 Schritten war das das höchste der Gefühle, zu dem wir noch bereit waren. Am Samstag stiegen wir auf die Fähre und fuhren zur Insel Askøy, die sich laut Hannah (macht mit der Info, was ihr wollt!) selbstversorgt. Allerdings hatten die anderen zu oft meine Gute-Wetter-Fähigkeiten zunichte gemacht, weshalb das Wetter bipolar wurde und uns ständig Regen und Sonne im Wechsel schickte. Allerdings kamen wir genau im richtigen Moment auf dem Berg an, von wo aus wir einen atemberaubenden 360-Grad-Blick über die Insel erhaschten, die umringt von vielen Fjorden und kleineren Inseln im Wasser thront, so friedlich und grün, dass all die Sorgen um die dreckigen Schuhe, die genau in dem Moment leider keine Wanderschuhe waren, verflogen. Für den Abend hatten wir uns geschworen (!!!) frischen Fisch zu essen und danach Bergens Discos zu erkunden. Das hatten wir auch umgesetzt und das hatte uns auch so gut gefallen, weshalb der Morgen heute entsprechend anstrengend war - doch auch wenn sich Celine „später noch nicht im Flugzeug sitzen“ sah, schafften wir es und verabschiedeten uns in Frankfurt, als sähen wir uns nie wieder (nächste Woche). Dies wird nur ein kurzer Beitrag, so wie auch der Ausflug. Nicht nur mit dem Ziel, die Schönheit von alten Freundschaften zu betonen, sondern auch, um die Besonderheit Europas hervorzuheben. Gerade jetzt. Denn das, was wir in und mit Europa haben, ist ein unvergleichbares Privileg, das allen anderen Kontinenten vorenthalten bleibt, um das es sich jetzt mehr denn je zu kämpfen gilt:
Gestern früh bin ich mehr oder weniger spontan nach Ischgl gefahren, um Nucki, Jojo und Nuckis Mitbewohnerin Tina auf der Piste zu treffen. Ich gebe zu: Eigentlich war es überhaupt nicht spontan, sondern eher seit Monaten angekündigt, aber bis Freitagmorgen dachte ich noch, dass ich am Samstag in der Frühe nur 1 ½ Stunden von München aus nach Ischgl brauche - weit gefehlt, es waren 3 Stunden. Da ich aber von der Freundin meines Mitbewohners die Ski ausleihen durfte, kam ich zum Glück doch noch auf meine 8 Stunden Schlaf, nachdem ich Isi am Freitagabend um kurz vor 10 Uhr rausgeschmissen habe. Spießig? So was von! Aber zurzeit weiß ich auch gar nicht mehr, was ich für ein Schlafmensch bin. Bis August 2021 dachte ich immer, ich wäre eine Nachteule, aber dann kam die Frühschicht, sodass ich gezwungen bin, relativ früh ins Bett zu gehen und ich jetzt morgens wie abends müde bin. Also musste ich am Samstag erst um 6.20 Uhr aufstehen, konnte noch 10 Minuten im Bett liegen bleiben, bevor ich mich fertig machte und losfuhr. Die anderen waren schon seit 5 Uhr unterwegs. Aber sie waren auch zu dritt! Nach „1 ½“ Stunden Fahrt kam ich gegen 10 Uhr an, holte mir ein Ticket und traf Nucki und Jojo auf dem Gletscher, Tina schwankte zwischen gesund und krank (kein Corona!!!) und blieb deshalb im Hotel, in das ich mich später reinsneaken würde - zu kompliziert, nach einem Zustellbett zu fragen. Tatsächlich wäre es nur eine Mail gewesen, aber dafür hat es dann auch nicht mehr gereicht. Ja, ich geb’s zu, ich wollte auch sparen und das Geld lieber der Gruppe für einen Kaiserschmarren oder irgendwelche Online-Vignetten spenden, die online doppelt so viel kosten als in jeder x-beliebigen Tanke - kein Vorwurf! Auf dem Berg jubelten wir uns entgegen, so erfreut waren wir darüber, dass wir uns in den letzten 5 Minuten tatsächlich ohne Handy fanden. Das Wetter war traumhaft: eiskalt, aber sonnig; die Schneeverhältnisse optimal, sodass es maximal ein paar eisige Stellen gab, aber keine sulzigen Hügel. Auf einem der vielen Hügel kann man entscheiden, ob man links nach Österreich abbiegen will oder rechts in die Schweiz. Dementsprechend hopsten wir kurzerhand von Österreich in die Schweiz. Als es allerdings Richtung Mittagessen ging, fand man uns schnell auf einer Hütte in Österreich - ist auch klar, wieso. Allerdings ist es dann immer schwierig, nach dem Mittagessen wieder richtig durchzustarten, weshalb wir danach nur noch eine Abfahrt fuhren, bevor wir dann von ganz oben nach ganz unten fuhren. Der Skitag hätte besser nicht sein können. Zum Glück sind wir da alle eher entspannter unterwegs, die Ambitionen haben wir ausnahmsweise zuhause gelassen. Im Hotel angekommen und an der Hotelrezeption vorbeigeschummelt, stürzten wir uns erst einmal auf die Betten - Tina dagegen war hellwach, nachdem sie 2 Stunden Mittagsschlaf hinter sich hatte. Deswegen auch enttäuscht, als wir ihr mitteilten, dass wir - aus mehreren Gründen - weder Après-Ski noch irgendeine andere Form von Party im Kopf hatten. Abendessen in Jeans war das höchste der Gefühle. Und so kam es dann auch: Nach der nahezu göttlichen Dusche, zwangen wir uns in Jeans und aßen im Hotelrestaurant. Ich war „die Freundin, die mitessen würde, wenn es okay ist“. Dabei gönnten wir uns noch eine schöne Portion Kaiserschmarren und schauten später die gefühlt 56. Staffel DSDS und „Die Große Stapelshow“ - fragt sich jetzt noch einer, warum das Fernsehen ausstirbt. Heute morgen sind wir - freiwillig und ohne Wecker! - um 6.30 Uhr aufgewacht, weil wir am Abend um 21 Uhr (bzw. die anderen, selbst Tina um 21:30) eingeschlafen sind. Ich habe mich über den Balkon zum Auto gerollt wir Kim Possible in Alt, während die anderen sich fertig für die Piste gemacht haben. Jetzt bin ich wieder in München und hole heute Abend Juan vom Bahnhof ab - er kommt und wir sehen uns tatsächlich nach etwa 1 ½ Jahren wieder. Das erste Mal seit Buenos Aires. Was soll ich sagen? Es kommt nicht oft vor, dass mir die Worte fehlen, aber manchmal übermannt mich mein kleines bipolares Äderchen und reduziert meinen Wortschatz immens. Die letzten Tage waren intensiv und emotional. Oder sagen wir lieber besonders, weil das trifft es ziemlich gut.
Die Hochzeit von Felipe und Eva war so, wie man sich eine Hochzeit unter Latinos vorstellt: laut, dynamisch, bunt. Und wunderschön. Am Freitagabend tingelten die ersten Familienmitglieder ein, am Samstag kam der Rest dazu. Bis alle fertig gerichtet für die Kirche waren, dauerte es mehrere Stunden, aber trotzdem waren fast alle pünktlich. Abuelita brachte die Ringe, die Eltern küssten das Brautpaar, der Pfarrer stellte die magische Frage, beide antworteten mit „Si!“. Später ging es in einen großen Hof, der durch die unzähligen Lichterketten, die überall verteilt waren, strahlte. Draußen spielte eine Liveband und es wurden die Hüften geschwungen und Bilder geschossen. Dann gab es Essen, viel Fleisch, und einen Tanz des Paares. Auch durfte Felipe vor versammelter Mannschaft Eva antanzen und ihr das Band vom Oberschenkel mit dem Mund abbeißen. Später warf Eva den Brautstrauß. Ariels Cousine, Susan, fing ihn, und das passte gut, da sie tatsächlich bald heiraten wird. Für mich war es einer der schönsten Momente des Abends. Wegen Corona ging die Party im Hof allerdings nur bis 22 Uhr. Danach fuhr die Großfamilie zu den Vargas, wo sie im ganzen Haus verteilt ihre Matratzen auswarfen und sich einer nach dem anderen von den betrunkenen Gesprächen, die sich ab einem gewissen Pegel und einer bestimmten Uhrzeit nur noch im Kreis drehten, ins Bett verabschiedete. Am Sonntag ging die Party weiter: Wir starteten den Tag mit Bier und Fußball, ich vorne dabei, so wie es sich eben für eine Lady gehört. Und so ging der Tag schneller vorbei als ich es geplant hatte. Zwischendrin verabschiedete sich immer wieder einer, um seinen Rausch auszuschlafen oder einfach nur seine Ruhe zu bekommen. Und einen Tag später verließ uns dann auch der Touchscreen meines Handys, was bei einem Smartphone, das außer aus zwei Knöpfen nur aus Touchscreen besteht, ziemlich anstrengend sein kann. Um es in einem semi-seriösen Laden reparieren zu lassen, musste ich bar bezahlen. Dafür fuhren wir vorher zur Bank und ich meinte zu Ariel, dass ich jetzt endlich bereit sei, meine Dinge selbst zu regeln. Dumm nur, dass er mich 30 Minuten später in der Bank aufsammeln musste, weil ich die falsche Währung eingegeben hatte. Wie wäre diese Reise nur verlaufen, wenn ich sie wirklich alleine bestritten hätte? Um meinen Stolz zurückzukratzen, machten wir abends für die ganze Familie Maultaschen, inklusive Nudelteig und Füllung, die wir zu 100 Prozent selbst herstellten. Ich war begeistert, weil sie wie zuhause schmeckten. Ob es der Familie so gut geschmeckt hat, wie sie meinten, kann ich allerdings nicht einschätzen. Zwei Tage später probierte ich es nochmal mit den traditionellen Apfelküchlein von meiner Familie. Diese musste ich aber wegschmeißen, bevor es jemand außer mir probieren konnte. Durch das Baking Soda, das das deutsche Backpulver substituieren sollte, wurde der Geschmack des Teiges vollständig verändert, und entsprechend konnte ich es nicht stellvertretend für meine Familie den Vargas vorlegen. Das hätte meine Familie nicht verdient. Auch wurde mein Mutter-neuerdings-Tierliebhaber-Instinkt wieder geweckt, als Zara schlapp auf dem Boden lag, weil ihr Mund entzündet war. Wir mussten mit ihr zum Tierarzt. Eine Spritze später tobte sie wieder mit Peggy, dem Hausschweinchen, in der Wiese und war wie ausgewechselt. Insgesamt waren es aber eher ruhige Tage, was mir vor allem dann auffiel, als Dianney und ich am Donnerstag zum Facial Treatment gingen und ich den Fragebogen ausfüllte, um anzugeben, warum ich mich für eine Gesichtskur entschieden hätte: „Um mich vom Strand zu erholen.“ Den Satz muss man sich erst einmal geben. Warum waren die Tage also so intensiv? Weil ich viel Zeit zum Nachdenken hatte und mir vieles klarer wurde, was uns unser Vater schon öfters prophezeit hatte und ich bisher nicht richtig verstehen wollte: Beispielsweise, dass das Gefühl des ersten Eindrucks zählt. Oder etwa, dass ich mich auf meinen Instinkt verlassen kann, denn er hat mich bisher immer zu den Menschen gebracht, die mein Leben bereichern. Und in diesem Fall hatte ich nicht viel mehr als den ersten Eindruck, auf den ich mich verlassen konnte, der sich später mehr als bestätigen sollte. Auch wurde mir klar, dass ich mein Handy nicht mehr unter Wasser halten werde, auch wenn es mir Apple bis zu einem Meter garantiert hatte. Und ich kann zugeben, dass ich nicht gut im Autofahren bin, dafür aber im Pingpong und im Surfen. Für die Zukunft habe ich gemerkt, dass es oft besser ist, erst nachzudenken, bevor ich rede. Das wurde mir allerdings nur klar, weil ich durch die Sprachbarriere, die nach wie vor vorhanden ist, dazu gezwungen wurde. Und ich möchte das Pura Vida in mein Leben integrieren, denn es entschleunigt die Tage und macht die Momente kostbarer. Dadurch werde ich automatisch ruhiger, plane meine Schritte besser, rege mich nicht über Dinge auf, die ich sowieso nicht ändern kann. Wie etwa, dass ich heute kurzfristig meinen Flug ändern musste, weil die Airline meinte, sie lasse mich nicht in die USA zum Zwischenstopp fliegen, weil ich nur einmal geimpft sei und meine Genesung nicht wie in Deutschland als zweite Impfung angesehen werde. Well done - jetzt erwartet mich ein 36-Stunden-Flug. Aber das soll mir nicht die Laune vermiesen. Trotzdem möchte ich meine Reisen in Zukunft besser planen. Musste ich das erst von einer Vietnamesin und einem Costa Ricaner lernen? Ja, ich denke schon. Doch was die Reise vor allem ausgemacht hat, waren - wie immer - die Menschen, die sich in mein Herz eingenistet haben: die Ticos, die Freunde, die Familie. Und, natürlich, Ariel. Wenn jemand zu mir sagt „That’s so you!“, und dem Satz möglicherweise ein kleines Missgeschick meinerseits vorauseilte, dann weiß ich: Diese Person kennt mich. Wie beispielsweise als ich vergessen hatte, den Duschkopf einzustellen und das ganze Wasser auf unseren Koffern landete. Aber das ist okay. Im Urlaub kann man sich ab einer gewissen Zeit nicht mehr verstellen.
Vor allem nicht, wenn man sich entspannen will, wie wir es die letzten beiden Tage gemacht haben. In einem Traum von Hotel in Uvita. Wobei, eigentlich ist es kein Hotel, sondern die Besitzer nennen es „shared rooms“, deshalb auch keine Rezeption, weshalb sie keinerlei Probleme während der Pandemie hatten. Ganz im Gegenteil: Die Leute haben sich auf die „Art Villas“ gestürzt, weil man hier weg vom Schuss ist. Hier ist es ruhig, die Art Villa und die Coco-Pods liegen verteilt mitten im Dschungel auf einem Berg, auf den man nur mit einem 4x4-Auto fahren darf. Wobei ich da einwenden muss, dass es Ariels Auto auch gepackt hätte, aber es war nicht erlaubt. Ich wäre trotzdem gefahren, Ariel wollte auf Nummer Sicher gehen. Manchmal fühle ich mich, als wäre ich die Latina und er der Deutsche. Auf dem Berg angekommen erlangt man einen unglaublichen Blick auf Uvita, im Hintergrund der Pazifik, die offene Küche steht zwischen den Pods. Zum Abendessen zauberte uns der Koch, Brenden, Asiatisch. Wir konnten zusehen, wie er die Nudeln mit dem Gemüse zubereitete. Alles war frisch und Brenden sehr freundlich, entspannt. Ariel meinte, er sei „pura vida“. „Pura vida“ funktioniert also auch als Adjektiv, ich dachte vorher, dass es nur als Begrüßung, Abschied und Lebensstil verwendet wird, aber das geht wohl auch. Am nächsten Morgen turnten zwei kleine Kinder um uns herum. Es waren die der Besitzer, die aus Tschechien kamen und vor drei Jahren den Platz im Dschungel gekauft hatten, um diese einzigartigen Art Villas hineinzubauen. Anfangs wollten sie alle 6 Monate wieder zurück ins Heimatland, aber jetzt bleiben sie erstmal hier. Ihre Kinder bekommen Tschechisch-Unterricht von einer anderen Tschechin, Jane, 26, die seit drei Wochen mit ihnen wohnt. Für die Tschechisch-Stunden darf sie umsonst hier wohnen. Yoga-Kurse gibt sie auch. Klar hab ich da zugegriffen! Ariel wollte dieses Mal nicht. Betonung liegt auf „dieses Mal“. Am Mittag verriet uns Brenden, dass es von 12 bis 3 Uhr nachts eine Mondfinsternis geben werde. Um 3:03 Uhr werde der Mond purpurrot. Also stellten wir uns den Wecker auf 2:30 Uhr, und malten uns aus, wie wir 30 Minuten auf dem Trampolin lagen und den Mond beobachten würden. Ich schaffte es nicht, Ariel wartete bis 2:59 Uhr und ging dann raus. Er hatte den richtigen Moment abgepackt, mir war mein Schlaf zu heilig. Außerdem sind meine Augen hier irgendwie schlechter geworden, oft sehe ich doppelt. Ich denke, das liegt unter anderem auch an den unzähligen Grüntönen, die mein Gehirn komplett überfordern. Ich hoffe es. Heute Mittag sind wir über Cartago und San José nach Guapiles zurückgefahren, weil morgen die Hochzeit von Felipe ist. Ariel hat in Cartago studiert und gearbeitet. Ich mochte Cartago, weil es eine Stadt ist. Eine der wenigen hier in Costa Rica, wie es mir vorkam. Wer wissen will, wie Ariel tickt, der stelle sich uns beim Abendessen im Airbnb vor: Als er über die riesige Panoramascheibe beobachtet, wie ein Auto mit dem Berg zu kämpfen hat, springt er plötzlich auf und ist für 15 Minuten verschwunden. Dann kommt er zurück, trommelt mich und alle anderen Bewohner des Hauses zusammen, um dem Mann dabei zu helfen, den Berg hochzukommen. So macht man das hier.
Später erzählte er mir, dass er gerochen habe, dass die anderen Bewohner des Airbnbs aus Europa kämen. Latinos riechen das, weil wir nicht mit der Hitze zurechtkommen. Kleiner Hint an mich? „Du bist anders!“ Bestimmt. Wir sind in Monteverde, dem grünen Berg, haben uns dieses Mal für ein Airbnb entschieden, das höher liegt als die Stadt, in dem wir selbst kochen können. Vorher hatten wir für eine Nacht einen Stopp in Tilarán bei Deyanira gemacht, wo ich meinen kaputten Adiletto reparieren lassen konnte. Wir waren beide begeistert, der Schuhladen war übersät von gebrauchten Schuhen, in dem Schuhparadies saßen zwei Männer und eine Frau. Einer der Männer nahm meinen Schuh und reparierte ihn mit einer uralten Nähmaschine, die den Schuh mit lauten Schnitten zusammentackerte. Die Naht ist schief, aber es war eine der letzten Schuhläden dieser Art, meinte Ariel. Es kostete mich etwa 2,70 Euro. Auf dem Weg nach Monteverde packte uns der Hunger und wir hielten Ausschau nach einem Restaurant, das uns beiden gefällt. Das Gute ist, dass wir im Thema Restaurant und Hotels immer die gleiche Vorstellung haben. Überhaupt gestalten wir unser Leben sehr ähnlich, und das, obwohl wir auf zwei unterschiedlichen Kontinenten aufgewachsen sind. Als wir plötzlich ein schönes Restaurant entdeckten, fuhren wir durchs Tor und wunderten uns, warum wir die einzigen waren. Als ich fragte, warum alle Stühle hochgestellt seien, meinten die Besitzer, dass sie heute eigentlich geschlossen hätten und wir in den 5 Minuten hineinkamen, als das Tor geöffnet war. Aber sie könnten uns trotzdem etwas kochen. Wo gibt es sowas? Klar nahmen wir es an und es war lecker! Dazu bekamen wir noch ein Käffchen aus der eigenen Röstung mit Eis und Bananenbrot und spätestens dann war ich im Himmel angekommen. Das Restaurant war umgeben von mehreren Kaffeeplantagen, der Kaffee schmeckte dadurch umso besser, weil wir sehen konnte, woher er kam. In Monteverde angekommen bezogen wir unser Airbnb mit dem unglaublichen Panoramablick auf das Dorf, die Wälder und den Pazifik, und erkundeten das Dreieck der Stadt, in dem sich ein Touri-Spot nach dem anderen tummelt. Drumherum gibt es wenig. Am nächsten Tag gingen wir nach Banana-Pancakes zu den berühmten „Hanging Bridges“, die durch und über den ganzen Urwald verlaufen. Die Natur zeigte sich wieder von ihrer besten Seite, alles war grün. Sehr grün. Ab und zu ein paar Rottupfer von den Blumen, selten gelb oder gar blau. Aber sonst war alles grün. Die Tour führte durch den ganzen Urwald, man hätte noch dazu buchen können, mit Seilen durch die Bäume zu rauschen, aber das war mir dann zu viel Touriprogramm. Später kochte uns Ariel eine „Torta de huevos“, ein spanisches Rezept, das er in Deutschland gelernt hat und 9 Eier, Mozzarella und Chips enthält. Sehr lecker! Abend sind wir nach der ersten Halbzeit „Argentinien - Brasilien“ in ein Restaurant, dem Tree House, gegangen, das um einen 80 Jahre alten Baum gebaut wurde und dessen Krone sozusagen das Dach des Restaurants bildet. Die Wendeltreppe verläuft um seinen Stamm, dazu sind überall Lichterketten trapiert und auf dem zweiten Stockwerk stand ein Mann mit Gitarre, der den Abend mit Live-Musik begleitete. Es war wunderschön. Zwar touristisch, aber irgendwann muss ich mir auch eingestehen, dass ich auch nur ein Touri bin, der denkt, er sei etwas Besonderes. Später schauten wir noch die zweite Halbzeit „Costa Rica - Honduras“ zu den Qualifikationsspielen zur WM 2022 an. Er hatte das extra so eingefädelt, weil ich meinte, ich wollte nur ein Spiel sehen. Win-Win. Und als Costa Rica dann auch noch in der 94. Minute das 2:1 schoss, freute ich mich. Für Costa Rica, für Ariel, und für mich, dass unser Abend gerettet war! Heute geht es weiter nach Uvita, einem Dorf in der 7. und damit letzten Provinz in Costa Rica. Wir gehen zu einem abgefahrenen Hotel, das ich über Pinterest gefunden hatte. Ariel wollte es genau wissen, ich wollte uns überraschen lassen, indem ich außer der Buchung nichts plante. So ist er: Er braucht einen Plan, stellt das Navi immer vorher ein, damit er nur noch draufklicken muss, sucht so lange nach einem Restaurant, bis es perfekt ist, plant in unsere Autofahrten genügend Puffer ein, damit wir noch den Sonnenuntergang sehen. Wahrscheinlich ist die Reise deshalb so besonders. Weil alles läuft. Ich liege auf dem Boden. Happy baby, wie die Frau sagt. In meine Nase kriecht ein strenger Geruch, er riecht vermodert, kommt vom Boden. Neben mir verrenkt sich ein Mann umständlich, der mit Übergewicht zu kämpfen hat. Aber ich bewundere ihn dafür, dass er mitmacht. Er ist der einzige unter 8 Frauen. Draußen rauscht das Meer in unregelmäßigen Intervallen, drinnen hören wir langsame Musik mit vereinzelten Stimmen. Ich mache meine Augen auf und sehe ein verrostetes Welldach, an den Wänden hängen drei Pflanzentöpfe, die das Rustikale schön machen. Mein Tag hat begonnen, er wird wunderbar, diese Yogastunde markiert nur den Anfang.
Wieder zurück im Airbnb-Hotel sehe ich Ariel, der auf der Liege sitzt und arbeitet. Er ist am Pool, der gefüllt ist mit dunkelblauem Wasser, ein paar Blätter sind hineingeflogen. Sie kommen von den Bäumen, die das ganze Hotel einhüllen. Ich laufe zu unserem Zelt, das aus Südafrika importiert wurde und unser Hotelzimmer ist. Es ist groß, unterteilt in das Schlafzimmer und das Bad. Alles ist sauber. Wieder enthält es nur das Nötigste, was es umso schöner macht. Die Vögel und Affen um uns herum kreischen um die Wette. Um 11 Uhr werden wir vom Playa de Potrero zum Playa Grande in Guanacaste gebracht. Es wird unser erster Surfkurs sein, den wir beide je gemacht haben. Unser Surf-Lehrer lässt zunächst auf sich warten, doch plötzlich kommt ein gebräunter Mann, Jorge, mit seinem Quad angeschlittert, grinst uns an, seine Augen sind rot. Ariel und ich müssen beide grinsen. Ist er high? Er wirkt glücklich, lebt das pura vida. Sein Arbeitsplatz ist seit 6 Jahren das Meer, er kam direkt nach der Schule hier her an die Pazifikküste, um als Surf-Lehrer zu arbeiten. Ist heute 24. Es folgt der Theoriepart am Strand. Jorge ist sehr geduldig, erklärt uns, worauf wir achten müssen, macht ein paar Trockenübungen mit uns, damit wir richtig aufs Board aufsteigen, dann geht es ins Meer. Ich darf anfangen, die erste kleine Welle, die ich nehme, klappt. Ich stehe auf dem Board und fließe mit der Welle. Das Wasser reicht uns bis zu den Knien, weiter gehen wir erstmal nicht. Auch Ariels erste Welle klappt auf Anhieb, er steht! Jorge erklärt uns, dass er nicht mehr mit dem Surfen aufhören konnte, in dem Moment, als er das erste Mal auf dem Brett stand. Ich kann es verstehen, es macht süchtig, ich will jede Welle mitnehmen. Doch nach etwa einer halben Stunde möchte ich nicht mehr geführt werden, sondern nehme die erste Welle selbst. Auch das funktioniert, wir bekommen schnell ein Gefühl für das Timing. Ich denke, das liegt auch daran, weil wir beide Snowboard fahren. Ariel hat es einmal gemacht, ich mache es seit 17 Jahren. Wir sind beide sportlich, ehrgeizig, messen uns im "Uno Uno" und jetzt auch hier. Jorge feuert uns an, wir gehen tiefer ins Meer, schaffen es auf Anhieb gleichzeitig zu fahren, ohne auf Jorge angewiesen zu sein. Nehmen die Welle aber immer dann, wenn sie schon gebrochen ist. Nach 1 ½ Stunden bin ich kaputt, setze mich ins Wasser und beobachte die beiden. Dann zieht es mich wieder rein, noch tiefer, sodass ich aufs Brett liegen muss, um zu Jorge zu paddeln, dem das Wasser bis zur Brust geht. Jorge sagt, wir können die Welle weiter vorne nehmen. Also warten wir beide auf unseren Brettern, Jorge gibt uns das Signal, wir stehen beide auf und nehmen die Welle von oben mit, fallen, als sie aufs Wasser klatscht. Aber das war ein neues Gefühl, ich habe wieder Energie, obwohl meine Beine vom Aufstehen aufgeschürft sind und wegen des Salzes im Wassers brennen. Jetzt hat es mich gepackt! Nach zwei Stunden werden wir völlig erschöpft von Jorge mit dem Quad zu seinem Chef gebracht, der bringt uns mit dem Auto nach Hause. Das Wetter ist noch zu schön, um zu relaxen. Außerdem sterben wir vor Hunger. Also geht es direkt weiter zum Playa de Flamingos, zu einem Strandrestaurant, das uns Jorge empfohlen hat. Es heißt Coco Loco, ist Traum. Haft. Schön. Und bietet Cocktails in Kokosnuss und Ananas an. Auf Jorges Empfehlung nehmen wir beide einen Coco Loco - 5 Schlücke und ich muss meinen Drink Ariel weitergeben, zu viel Rum. Dazu nehmen wir Loco Coco, Reis mit Meeresfrüchten in einer Zitronensoße, serviert in einer Kokosnuss. Lecker! Nebenher können wir beobachten, wie die Sonne langsam nach unten geht. Bevor es zu spät wird, laufen wir den Strand entlang zur Meeresbucht und beobachten dabei, wie das Meer langsam aber sicher die Sonne verschluckt. Ich habe keine Worte dafür, wie schön es ist. Wirklich nicht. Wieder zurück im Hotel spielen wir "Uno Uno", weil wir zu müde sind, um nochmal loszugehen und irgendeine Party zu suchen. Als ich denke, es könnte nicht besser werden, packt mich der Hunger. Draußen schallt entspannte „Dinner with Friends“-Musik, das Restaurant am Pool hat noch offen. Ich bestelle einen Brownie, der mit Butter überzogen und noch warm ist. Wir sind im Paradies, jetzt ist es amtlich. Ich sitze oben auf einem Berg. Über mir ragt ein Kreuz. Es ist weiß und das Symbol der Stadt Tilarán, in der Deyanira, Ariels Oma, lebt. Sie lebt hier in einem Häuschen am Berg. Es ist klein, aber ich habe mich schnell wohl gefühlt. Im Häuschen wimmelt es von Kreuzen und christlichen Figuren. Sie und die Menschen in Costa Rica sind sehr religiös. Etwa 75 Prozent der Bevölkerung sind katholisch. Erst die jüngere Generation, die von Ariel und seinen Brüdern, fängt an, allergisch zu werden. Vielleicht auch, weil sie die Ideen hinterfragt, die Jahrhunderte lang eingetrichtert wurden. Ich kann mich davon nicht ausschließen, fühle mich hier aber in gewisser Weise näher zu Gott, weshalb ich heute morgen um 7 Uhr unbedingt mit Deyanira und Ariel in die Kirche gehen wollte. Sie freute sich, er … er ging mit! In der Kirche senkten Ariel, der Pfarrer und ich den Altersdurchschnitt erheblich, da es von abuelitos, wie es Ariel nannte, wimmelte. Das ist die Verniedlichung von abuelo, was so viel bedeutet wir Opachens. Tatsächlich war der Pfarrer sehr jung, etwa um die Mitte 30, und auch er euphorisch in seinen Reden. Vermutlich gehe ich hier deswegen so gerne in die Kirche. Als die Messe vorbei war, durchflutete die Sonne die ganze Stadt. Das war schon gestern so, als wir ankamen, und Tilarán uns mit einem breiten Lächeln begrüßte.
Auf dem Weg von La Fortuna nach Tilarán machten wir einen Stopp in einer deutschen Bäckerei, weil Ariel mir einen Stich versetzt hatte, als er meinte, er möge keine Brezeln. Und setzte noch einen drauf: Nutella mag er auch nicht! Geht’s noch? Jedenfalls machten wir einen Stopp, kauften zwei Brezeln, einen „Schokoladenkuchen“ und einen Kaffee und fuhren weiter. Auf einmal meinte er, die Brezel wäre jetzt gut, aber nicht mal ich mochte sie. In Tilarán angekommen, fuhren wir bei Abenddämmerung, die in Costa Rica ab etwa 17 Uhr beginnt, mit Deyanira hoch auf den Berg, auf dem ich gerade sitze. Es ist der Parque de Vientos, der Park des Windes, und er macht seinem Namen alle Ehren. Für Ariel ist es der schönste Ort der Welt, und auch wenn ich nicht weiß, ob ich gleich in die Superlative gehen würde, kann ich ihm in gewisser Weise zustimmen. Der Wind bläst dir um die Ohren, die Flagge Costa Ricas, die in der Nähe des Kreuzes steht, hechelt mit dem Wind um die Wette und man hat einen 360-Grad-Blick auf das kleine Dorf, das sich in die grünen Berge eingegraben hat. Drumherum sind unzählige Windräder und Solarzellen verteilt. Costa Rica produziert seine Energie selbst und erzeugt damit 110 Prozent des Eigenbedarfs, nutzt für sich knapp 100 Prozent der Erneuerbaren Energien. Der Rest geht an andere Länder. Etwa 75 Prozent der Gesamtenergie stammt aus Wasserkraft, gefolgt von der Energie der Vulkane. Aber auch Windenergie, wie etwa der aus Tilarán sowie die der Solarzellen tragen einen Teil dazu bei. Ariel meinte, dass Coldplay deswegen seine Tour in Costa Rica startet. Und tatsächlich hat Coldplay für seine Tour 2022 angekündigt: “Whenever it is available, we will use the electrical network from 100% renewable sources. That is why we are starting the tour in Costa Rica, where 99% of the electricity grid is renewable.” Sehr lässig! Die Leute leben hier einfach. Und auch hier sieht man, dass Reichtum und Glück nicht unbedingt korrelieren. Mir kommt es manchmal so vor, als wäre es eher das Gegenteil. Denn alles hängt von den zwischenmenschlichen Beziehungen ab. Wie tief diese sind, und wie sie gepflegt werden. In Deutschland habe ich das Glück, eine Familie, die sich liebt und sich miteinander auseinandersetzt, und tiefe und lange Freundschaften zu haben, aber wenn ich mir überlege, dass mein Mitbewohner mich gerade gefragt hat, wie mein Urlaub in Sri Lanka sei, dann bringt mich das ins Grübeln. Gestern Abend sind wir in ein kleines Restaurant gegangen, dass ich zunächst gar nicht als eines erkannt hatte. Es ist rustikal, wir waren die Ersten, das Essen war lecker. Danach kamen immer mehr Leute, die Deyanira fast alle kannte. Dorfleben eben. Hier leben auch einige Verwandte der Familie und jeder zweite heißt mit Nachnamen Solano oder Vargas, wie Ariel auch. Ich denke, es ist ein Name wie Müller oder Schmidt. Heute morgen, nach der Kirche und dem Frühstück im Anschluss, sind wir zu einem der Enkel von Deyanira gegangen. Er heißt Juan Carlos, ist 10 Jahre alt und der Cousin von Ariel. Seine Eltern mussten arbeiten, deswegen kamen wir, um auf ihn während des Home Schoolings aufzupassen. Er ist lieb, frech, wird aber schüchtern, wenn es um sein Englisch oder sein Französisch geht. Sein Lieblingsfach ist Informatik, später möchte er Ingenieur werden. Das Schulsystem in Costa Rica ist eines der besten Lateinamerikas. Ariel brachte es auf den Punkt, als er meinte, dass es keine bessere Investition als die in die eigene Bildung gibt. Ich denke, die meisten Menschen in Costa Rica haben es verstanden. Heute Abend gehen Ariel und ich nochmal in die Nähe des Parkes, um den Sonnenuntergang anzuschauen. Danach wollen wir in eine Bar, in der es Bocas zu Cervecitas gibt (ich schreibe es auf Spanisch, damit es niedlicher klingt, dass ich mich betrinke). Das sind Snacks, wie beispielsweise Ceviche, ein kleiner Meeresfrüchte-Salat, die es kostenlos zum Bier gibt. Nur ganz traditionelle Bars machen das, aber ich könnte mich daran gewöhnen. Vor etwa zwei Monaten habe ich für die Arbeit ein Video über die schönsten Orte der Welt produziert. Ich habe es damals Ariel geschickt, weil der Vulkan El Arenal in La Fortuna einer der Orte war. Es ist die Stadt des Glücks, des Vermögens, des Schicksals. De la fortuna.
Zwei Monate später sitze ich selbst hier. Zwar ist vom Vulkan wenig zu sehen, weil es regnet und neblig ist, aber in dem Fall finde ich das sogar schöner. Die Nebelwolken liegen auf dem Regenwald, der sich den Vulkan entlang grabbelt. Unser Hotel, „Los Lagos“, ist selbst schon ein Dschungel. Von der Rezeption zu unserem Zimmer kann man zwar laufen, aber das dauert etwa 20 Minuten, weil unser Zimmer etwas weiter oben umgeben von Bäumen liegt. Um noch ein bisschen mehr anzugeben, habe ich das Bild vom Hotel hinzugefügt. Aber keine Sorge, in den Zimmern ist es nicht so schön wie außen herum. Gerade sitzen Ariel und ich an der Bar, hören Reggaeton und arbeiten nebeneinander. Um uns herum wachsen Pflanzen in unterschiedlichen Grün- und Rottönen. Vor uns liegt ein Teich mit Koi-Fischen, über ihm hängt eine Holzbrücke. Nachher gehen wir ins Wasser, in einen der Hot Water Springs, die im Hotel integriert sind, deren Wärme vom Vulkan stammt. El Arenal ist der aktivste und zugleich jüngste Vulkan von Costa Rica sowie einer der aktivsten Vulkane der Welt. Das letzte Mal ist er 2010 ausgebrochen. Zu seinen Füßen liegt die Stadt La Fortuna, die ein Touristen-Highlight nach dem anderen bietet. Wobei es in Costa Rica "keine Städte gibt, sondern nur Dörfer", wie Susan, Ariels Cousine, scherzhaft meinte. Hier fehlt es uns an nichts. Und wenn etwas fehlt, dann helfen uns die Menschen. So wie gerade, als ich einen Adapter für meinen Laptop gebraucht habe. Oder wie gestern, als Ariel eingefallen ist, dass er das Ladekabel seines Laptops vergessen hatte. Er meinte, dass er das mit Absicht gemacht hat, um nicht lernen zu müssen, aber er hat wohl die Vorzüge einer Frau vergessen - denn ich besorgte ihm ein Neues, das wir ausleihen durften. Auf Vertrauensbasis, versteht sich. Und mit meiner Nummer. Heute Morgen bin ich auf den Berg gewandert; durch den Nebel und in den Regen hinein. Dazu wollte ich keine Musik hören, sondern einfach die Stille genießen. Oben auf dem Berg angekommen, fing es erst richtig an zu regnen, und ich habe es geliebt. Hier finde ich meinen Frieden. Ich weiß nicht, warum mir genau dieser Satz kam, aber genau so fühlt es sich an. Es ist ruhig. Außer dem Regen und meinen Atem, der im Nebel verflog, gab es nichts. Etwas weiter hinten kommt man zu einem Bauernhof und Kühen. Ihr Leben stelle ich mir entspannt vor. Da ich es nicht mag, einen Weg zurückzulaufen, sondern lieber die Schleife mache, fragte ich einen der beiden Bauern, ob ich auch noch weiterlaufen könnte, wenn ich zum Hotel zurück möchte. Er meinte, dass das gehe, aber der Weg sei very difficult. Difficult. Difficult? So eine Aussage spornt mich nur noch mehr an; da bin ich wie ein kleines Kind, das den Schnuller wegschmeißt, wenn man ihm sagt, es solle ihn behalten. Anfangs war der Weg auch tatsächlich cool, eng und matschig, und ich fing schon an zu triumphieren. Aber dann wurde es wirklich difficult, weil der Pfad auf einmal endete und mir den Weg frei ins Gras machte, das wild wuchs. Also wieder zurück, an dem Bauern vorbei, der mich nicht mehr sehen wollte und zurück zum Hotel in die Hot Water Springs, bevor Ariel und ich uns trafen, um herunter nach La Fortuna zum Mittagessen zu fahren. Für uns passt dieser Rhythmus gut. Er kann ab und zu arbeiten, zwischendrin unternehmen wir vieles gemeinsam, ich kann in meinem Blog schreiben. Hier erleben wir das Glück auf Erden – der Name ist Programm. Sonntag. Pura vida. Genau so, wie ich die Sonntage liebe. Draußen wechselt sich der Regen mit der Sonne ab, generell ist es heute eher bedeckt. Wir machen heute wenig bis sehr wenig. Heute habe ich bis 10:30 Uhr geschlafen - spätestens jetzt müsste ich im Rhythmus sein. Das würde passen, denn heute ist schon mein siebter Tag und in meinem „Großen Buch des Schlafs“ habe ich gelesen, dass der Jetlag im Schnitt so viele Tage andauert wie die Differenz der Stunden. Ergo: 7 Stunden = 7 Tage Jetlag. Passt.
Vielleicht lag die Uhrzeit auch daran, dass wir gestern mit der ganzen Familie bis spät in die Nacht getanzt und gesungen haben. Es war wieder einer dieser Momente, an den ich mich für immer erinnern werde. Wie so viele hier. 7 Tage klingen eigentlich nicht nach viel, aber trotzdem passiert hier ständig etwas Neues. Als ich Ariel letztes Jahr stolz erzählt hatte, dass ich bei Vapiano gekocht habe und ihm dann versprechen musste, dass ich eines Tages für ihn Carbonara kochen werde, habe ich es nicht so ernst genommen. Jetzt kam das Gespräch wieder darauf, und plötzlich hörte ich mich sagen, dass ich für die ganze Familie kochen wolle. Ausgerechnet gestern kamen aber beide Brüder mit ihren Freundinnen und weiteren Freunden, sodass mein Versprechen auf einmal ziemlich unter Druck stand. Während ich gekocht habe, lagen 10 Augen auf mir, die anderen zehn waren im Garten, was es nicht unbedingt einfacher machte. Aber es hat soweit geklappt, und sie meinten, es würde ihnen sehr gut schmecken, manche nahmen sich sogar ein zweites Mal. Das Schöne an Latinos ist, dass sie dich immer loben werden und es auch so meinen, weil sie es schätzen, dass man etwas für sie macht; was und wie gut es dann am Ende ist, spielt eine zweitrangige Rolle. Zwar ist das vielleicht etwas verallgemeinernd gesagt, aber ich denke, wir müssen in gewisser Weise die Kulturen der Menschen abstrahieren, um die anderen besser zu verstehen. Obwohl mich das Leben der Costa Ricaner, oder in meinem Fall der Vargas’, in manchen Punkten sehr an unser Leben in Deutschland erinnert: Sie essen statt um 11 Uhr abends, gegen 19:30 Uhr zu Abend, wissen, was in Europa und dem Rest der Welt passiert, schauen deutsche Soaps (wie zum Beispiel „Alarm für Kobra 11“ - als Tom Beck auf einmal im Fernsehen erschien, dachte ich, das kann nicht wahr sein). Aber, um den Bogen des Verallgemeinerns noch weiter zu spannen: Sie machen das auch! Als wir beispielsweise in Puerto Viejo in einem Restaurant waren, dachte der Kellner, ich sei eine „Gringa“, sodass er anfing, auch mit Ariel Englisch zu sprechen. „Gringo“ ist für die Lateinamerikaner jemand, der aus den USA kommt, aber sie nehmen auch alles andere mit herein, das nicht nach Latino aussieht. Also mich. Es gibt mehrere Theorien, aber eine besagt, dass „Gringo“ von „Green, go!“ kommt, da die US-amerikanischen Soldaten im Krieg gegen Mexiko 1846 bis 1848 grüne Soldatenröcke trugen und die Latinos deswegen meinten „Green go home“ - also „Gringo“! Um nicht wie eine „Gringa“ an der Hochzeit von Felipe und Eva auszusehen, bin ich deswegen am Nachmittag mit Dianney in einen exklusiven Laden gegangen, bei dem ich von oben bis unten neu eingekleidet wurde. Das war ein Service! Später sind Dianney, Abuela und ich noch in die Kirche gegangen, Ariel war dieses Mal wirklich allergisch. Abuela bedeutet „Oma“ und ich habe es mir inzwischen angewöhnt, Deyanira Abuela zu nennen. Kam so, weil es jeder macht. Auch wenn ich nicht weiß, ob sie es mag, aber sie nennt mich dafür „mi amor“. Deswegen denke ich, ist es schon okay. Eigentlich wollten Ariel und ich heute weiter nach La Fortuna, aber da es regnet und wir lieber einen Entspannten machen wollten, geht die Reise erst morgen wieder weiter. Ich bin schockiert. Wenn ich meine Texte im Nachhinein durchlese, muss ich sie nochmal 5, 6 Mal korrigieren, weil mir auffällt, dass sie abgehackt und verschoben klingen. Es ist der verzweifelte Versuch, zurück zum Redefluss zu finden, doch ich schaffe es nicht, hineinzuspringen (Nina, ich brauche deine Korrekturkünste!). Vermutlich liegt das daran, dass meine Sprachkapazität zu 100 Prozent ausgeschöpft ist, weil ich hier entweder Spanisch oder Englisch spreche, und das auch nur so semi-gut, weshalb für die komplexen Sätze des Deutschen wenig Platz bleibt. Manchmal merke ich auch gar nicht, auf welcher Sprache ich jetzt antworte. Erst mitten im Satz fällt mir auf, dass ich mal anfangen sollte, die Sprache meines Gegenüber zu sprechen. Faszinierend, wie das Gehirn arbeitet … Wer meine Texte also noch liest, beachte bitte, dass ich mich anstrenge.
Tatsächlich haben wir es gestern pünktlich zum Yoga um 7 Uhr geschafft - und es hat sich gelohnt! Erfüllter kann man den Tag kaum starten. Am Ende der Übung rieb uns Sarah, die Yogalehrerin, sanft die Schläfen und unsere Schultern mit Lavendel-Öl ein. Der Duft drang in unsere Haut ein und hielt bis zum Vormittag an. Nach einem weiteren Frühstück mit Obst, Reis und Eiern sind wir wieder zurück an den Strand in Manzanillo gekehrt, und kamen sogar noch weiter in ein Reservoir, das zu gebogenen Bäumen, die tief über dem Wasser hängen, und vereinzelten Aussichtsplattformen führt. Das Wasser war wieder warm und so klar, dass man von oben die Korallen sah. Immer wieder komme ich aus dem Staunen nicht heraus, wie unfassbar vielfältig die Welt doch ist und was uns die Natur für Wunder schenkt. Es war wieder das Gefühl der puren Freiheit, als wir am Strand lagen, über uns sich die Bäume bogen und damit drohten, ihre Kokosnüsse auf uns zu schmeißen, während die Wellen unsere Musik, die direkt an unseren Ohren lag, übertönten. Bevor die Sonne vom Meer verschluckt wurde, packten wir unsere Sachen und fuhren wieder zurück zur Familie nach Guapiles, wo uns Ariels Familie mit offenen Armen und gekochter Kuhzunge begrüßte. Ja, manchmal ist es besser, nicht zu wissen, was man isst. Denn als ich hörte, dass es Rind gab, hatte ich mich gefreut und mich gleichzeitig gewundert, wie zart das Rindfleisch hier ist. Doch als Ariel mich darüber aufklärte, dass es die Zunge der Kuh war, wusste ich wieso. Trotzdem hat es gut geschmeckt, sodass ich alles aufaß und die Familie wieder begeistert rief: „Sie isst wirklich alles!“ Heute bleiben wir noch eine Nacht in Guapiles, damit Ariel lernen kann, während ich mit Dianney, seiner Mutter, in die Stadt gehen kann, um nach einem Kleid für mich zu schauen. Ich brauche eines für die Hochzeit seines Bruders Felipe. Unser Trip hat begonnen. Ariel erlebt sein Land wie ein Tourist, auch wenn wir vieles sehen, was wahrscheinlich den meisten Touristen vorbehalten bleibt. Ich habe schon groß angekündigt, am Ende der Reise eine Tica zu sein, was so viel bedeutet wie eine „typisch costa-ricanische Frau“ zu sein, auch wenn ich noch nicht sicher bin, ob das klappen wird. Schon wieder schauen mich die Menschen anders an, schließlich bin ich eine der wenigen Blonden hier. Als wir am ersten Tag in Guapiles im Auto saßen und gewartet haben, kam prompt ein Mann, der uns um Geld bat. Ariel meinte, das liege daran, dass man mir ansehe, dass ich nicht von hier sein kann. So viel zum Thema „tica“.
Am Flughafen hing ein Schild, auf dem empfohlen wurde, mit dem Auto durch Costa Rica zu reisen. Die Route, die Ariel ausgesucht hatte, führt durch das ganze Land an beide Ozeane und dauert mit dem Auto insgesamt 28 Stunden (Schlaglöcher mit einberechnet). Insgesamt hat Costa Rica 5 Millionen Einwohner, sodass es viel Platz für die Menschen gibt. Auf dem Weg nach Puerto Viejo sind wir an vereinzelten Hüttchen vorbeigefahren. Sie bestehen zum Teil nur aus Welldächern und Wänden, ausgestattet mit dem Nötigsten, umgeben von riesigen Pflanzen, die zum Teil aussehen wie aus Plastik. Bis nach Puerto Viejo hat es 2 ½ Stunden gedauert. Dort aßen wir „Pescado frito" zum Mittagessen. Das ist gegrillter, roter Fisch, den man mit Limonensaft und Salat, Plantanos und seinen Händen isst. Sehr lecker! Später sind wir an den Strand von Punta Uva gefahren. Wenn man wissen will, wie die Welt wohl zu Zeiten von „Fluch der Karibik“ aussah, dann muss man hierhin. Es ist traumhaft schön. Mir kommt es vor wie das Paradies, vor allem auch deswegen, weil das Wasser wärmer ist als draußen und das muss etwas heißen. Insgesamt ist es sehr heiß, aber nicht erdrückend. Als ich ins Wasser stieg, dachte ich, ich laufe in die Badewanne, so warm war es. Abends kamen wir in unserem Hotel „Sonora“ an. Das ist ein Yoga Retreat und besteht aus mehreren Bungalows, die aus hellem Holz gebaut, ebenfalls nur mit dem Wichtigsten ausgestattet und trotzdem komplett sind. Die Rezeption ist Teil der Küche und des Restaurants. An der Kücheninsel, auf der viel Gemüse und Obst lag, saß die Eigentümerin, eine Italienerin, mit ihrem Laptop, und begrüßte uns freundlich. Sie bot uns an, um 20 Uhr Pasta für uns zu kochen. Wieder einmal hörte ich mich nicht nein sagen. Da Ariel und ich beide langsame Esser sind, haben wir bestimmt eine halbe Stunde gebraucht, um die Pasta zu essen. Dann brach der Jetlag über mich ein, sodass ich mich nur noch aufs Essen konzentrieren konnte. Ich war müde; von der Sonne, dem Meer und den vielen Eindrücken. Am nächsten Morgen gab es Frühstück, immer wieder kam die Frau heraus und brachte etwas Neues. Es war alles so lecker, dass wir es fast ganz geschafft haben. Die Früchte waren saftig, die Papaya, die ich sonst nie essen kann, weil ich finde, dass sie nach Erbrochenem schmeckt, war süß. Dazu gab es Eier, frittierte Banane, Reis mit Bohnen, danach noch Bananenbrot und einen Kaffee mit Milch. Hier komme ich zur Ruhe, erkenne die Schönheit der einfachen Dinge. Nach dem Frühstück hat Ariel für sein Examen gearbeitet und ich konnte lesen. Leider erreichte mich dann die traurige Nachricht, dass Coco gestorben ist. Aber ich denke, dass es meiner kleinen, zerbrechlichen Katze jetzt besser geht, dort wo sie ist. Wir hatten 15 schöne und aufregende Jahre mit ihr, sie hat sich manchmal den ein oder anderen Fauxpas erlaubt, aber das machte sie auch aus. In ihren letzten Stunden war sie nicht mehr die kleine Diva, die wir kannten, weshalb meine Schwester in enger Absprache mit meinen Eltern entscheiden musste, sie einschläfern zu lassen. In ihrer Lunge und um sie herum fanden die Ärzte Wasser. Aber auch andere Baustellen in ihrem kleinen Körper, die man nicht natürlich erhalten hätte können. Und ich denke, dass es Zeit war, sie gehen zu lassen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich aus Spaß meinte, dass ich jetzt ein Hundemensch werde, aber für mich wird Coco immer meine erste, kleine, zickige Katze sein. Das Yoga in einer der Hallen mit offenen Wänden im Anschluss kam deswegen passend. Es war Ariels erste Yogastunde, weshalb ich hoffte, dass es gut werde und ich bin froh, weil Sarah, die selbst Hotelgast war und aus den USA kam, das richtige Tempo fand. Ariel fand es "perfecto" - genau so hat er es gesagt und ich denke auch gemeint, weil wir sie morgen um 7 Uhr früh wieder treffen und zusammen mit einer weiteren Frau aus Kanada, Johanna, den Tag mit Yoga beginnen werden. Jetzt sitzen wir auf dem Balkon, arbeiten nebeneinander, wobei er tatsächlich für sein Data-Science-Zertifikat arbeitet und ich meine Gedanken verarbeite. Nachher gehen wir weiter nach Manzanillo. Es liegt ebenfalls am Meer und bildet das Ende der Küste. Dort gibt es auch viele kleine Bars, Läden und Restaurants, die wir am Abend ausprobieren wollen. Als sich Ariel mit "like the mermaid" bei mir in Karlsruhe vorstellte, hätte ich nicht gedacht, dass ich mich zweieinhalb Jahre später bei seiner Familie als "Fran" vorstellen würde. Da sind wir!
Gestern Nacht kamen wir bei Ariels Familie in Guapiles an. Heute Morgen dachte ich, die Welt gehe unter, so laut und stark war der Regen. Kurze Zeit später brach die Sonne durch und der Tag begann. Jetzt ist mir auch klar, warum die Pflanzen so vielfältig und wunderschön wachsen. Ariel musste kurzfristig nach Cartago, weshalb ich mit der Familie frühstücken durfte. Sie sind sehr offen, lieb, geben mir das Gefühl, willkommen zu sein. Zum Frühstück gab es Tortillas, die die Oma, Deyanira, selbstgemacht hatte. Dazu gab es Reis, Bohnen und Avocado. Das ist ein typisches Frühstück in Costa Rica und schmeckt mir wahnsinnig gut. Danach bin ich mit Ariels Mutter, Dianney, zum Pool gegangen. Seinem Vater, Javier, gehört der ganze Komplex, der an das Haus der Vargas grenzt. Er ist riesig, sauber und umgeben von Palmen und unzähligen Pflanzen. Im Hinterhof sind die Hunde, ich schätze es sind 8, darunter auch Zara. Zara ist der Neuzugang, ein holländischer Schäferhund, gerade einmal 3 Monate alt. Ich durfte bei der Namensfindung mithelfen und da Ariel und ich beide die Klamotten von ZARA mögen, haben wir uns für Zara entschieden. Wahrscheinlich habe ich deswegen eine besondere Bindung zu ihr. Und ja, ich schätze, durch mein Umfeld werde ich immer mehr zum Hundemensch (no front, Coco!). Als Ariel wieder vom Umzug zurückgekommen ist, gab es Mittagessen: Rindfleisch, Reis und Eiersalat. Ich glaube, die Familie ist überrascht, dass ich alles esse und mir auch alles schmeckt. Ich hätte es auch nicht gedacht, aber ich bin hier schnell auf den Zug aufgesprungen, der Lebensstil erinnert mich an den in Argentinien. Mein Vater meinte neulich zu mir, dass es wichtig ist, zuzuhören. Das mache ich hier, bin oft ruhig, unter anderem auch, weil ich nicht alles verstehe und nicht alles sagen kann. Aber das ist nicht mal schlimm. Ganz im Gegenteil: Wir konzentrieren uns eher auf die wichtigen Informationen. Ariel meinte, ich hätte am Vormittag ohne ihn mehr über seine Familie erfahren als er. Natürlich nicht ernsthaft, aber da die Eltern und die Oma kein Englisch sprechen, wird der Fokus verschärft. Nach dem Mittagessen sind wir mit Ismael, einem Freund von Ariel, zu seiner Wohnung gefahren. Sie ist sehr einfach, mit Welldach im Dschungel, irgendwo im nirgendwo. Wieder sind die Häuser umgeben von unzähligen Pflanzen, beim Nachbarn stehen Kühe, in der Nähe ist ein Fluss. Leider hat es geregnet, weshalb wir nicht baden gehen konnten. Umso mehr habe ich mich über den 3 Monate alten Welpe gefreut, den Ismael aufgenommen hat. Hier wimmelt es überall von Tieren. Ich denke, sie haben das beste Leben hier, weil sie viel Platz für sich haben und dauerhaft draußen sein können. Generell: La Pura Vida in Costa Rica merkt man den Menschen an, sie sind ein glückliches Volk. Ariel meinte, dass sie das glücklichste der Welt seien. Das kann ich mir gut vorstellen, sie nutzen den Tag anders: beginnen ihn früher, leben ihn ruhiger, verbringen viel Zeit mit der Familie. Abends sind wir (auf meinen Wunsch) in die Kirche gegangen. Seine Mutter meinte, dass Ariel eigentlich allergisch gegen die Kirche sei, aber er kam trotzdem mit. Der Pfarrer war emotional, hielt eine Rede und wurde dabei immer lauter, sodass ich mehr mitbekommen habe als bei den deutschen Gottesdiensten. Ich genieße die Momente; für mich ist es ein Wunder, hier zu sein. Am Abend habe ich mich schon gefühlt, als lebe ich seit einer Woche mit den Vargas zusammen. Tausend Eindrücke stürzen Minute für Minute auf mich ein. „Ich fühle mich wie 2019.“ Hätte das einer vor 2 Jahren gesagt, hätte ich ihn für seinen grammatikalischen Unsinn gerügt. Heute hat der Satz eine andere Wirkung, und ich denke, dass nahezu jeder auf der Welt genau weiß, was damit gemeint ist.
Tatsächlich fühle ich mich wie 2019. Fast. Denn sie ist wieder zurückgekommen, heftiger denn je, wahrscheinlich provoziert vom Virus. Die Reiselust, die Sehnsucht, die Suche nach einer neuen Herausforderung. Ich wollte meine Grenzen neu austesten, wollte mich zum ersten Mal alleine auf den Weg machen. Mit Lateinamerika hatte ich bis heute nicht abgeschlossen. Es war meine letzte Reise und eineinhalb Jahre später sollte es wieder meine erste sein. Dementsprechend ergriff mich eines Sonntags die Lust und ich buchte meine Tickets. Das Ziel: Costa Rica! Mit einem fröhlichen „Blögle lesen!“ verabschiedete ich mich von München, fuhr mit dem Nachtzug nach Frankfurt, um JA nicht in der Stadt schlafen zu müssen und sitze jetzt mit einer nicht ungeringen Dosis an Schlafmangel am Flughafen in Frankfurt. Die erste Hürde habe ich schon geschafft - meine 4 Gs sind durchgegangen (geimpft, genesen, getestet, gutaussehend hehe). Jetzt sitze ich am Gate. Sitze eine Etage unter meiner Mama, getrennt durch die Sicherheitskontrollen. Ihr Flieger geht 5 Minuten nach meinem, aber wir konnten uns leider nicht sehen, weil ich nicht cool genug war. Im Gegensatz zu ihr wollte ich 4 Stunden vor meinem Flug am Flughafen sein, weil ich Angst hatte, dass mir coronabedingte Eventualitäten einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Letztendlich hat der Corona-Check 5 Minuten länger gedauert, aber was soll’s! Sie fliegt nach Miami zu Papa, ich nach San José zu Ariel und Zara. Im Februar Geburtstag zu haben ist wie an Weihnachten eine Diät zu machen - hat irgendwie niemand so richtig Bock drauf. Meine Lösung: Sich sechs Monate später einfach nochmal feiern zu lassen!
Die Mädels fanden’s toll, ich auch, und deswegen veranstalteten wir mein Geburtstagswochenende vom 30. Juli bis zum 1. August. Denn im Februar hatte ich von Heidi, Celine und Gruppen-Neuzuwachs Hannah den Gutschein für ein Wanderwochenende bei mir zuhause in München bekommen. Gutscheine werden eigentlich nur fürs gute Gewissen verschenkt. Dumm nur, wenn der Beschenkte sie auch einlöst (so wie ich). Also ging es zur Partnachklamm, einer gewaltigen Wasserschlucht in Garmisch-Partenkirchen. Wer die drei kennt, der weiß, dass die Geburtstagsgeschenke immer von A bis ß durchgeplant werden. Deswegen war es auch gar kein Schock, als wir auf der Fahrt dorthin nachlasen, dass die Hälfte des Gebiets aufgrund der Wasserschäden durch die Unwetter im Süden Bayerns abgesperrt waren. Aber irgendetwas musste ja passieren, da ich sonst nicht darüber berichtet hätte (und das wollten die Mädels. Un. Be. Dingt.). Als wir ankamen, wurde unser lautstarker Redefluss von dem atemberaubenden Anblick unterbrochen. Durch den Regen entwickelte sich eine mystische Stimmung, sodass man sich wie in einem Märchen fühlte. Am Himmel brach die Sonne durch, über der Schlucht lag ein Nebel und der Regen prasste auf die Felsen und ins Wasser. Das dunkelgrüne Moos, das auf den Felsen wuchs, sah aus, als hätte Kriesten es persönlich bemoost. Dramaqueens wie ich lieben solche Naturspektakel. Und dann kam er wieder: Dieser Moment, den ich bereits in Argentinien bei den Iguazú-Wasserfällen hatte, als ich sagte: "Alleine deswegen hat sich die Reise nach Argentinien schon gelohnt." Ich sollte Recht behalten: Zwei Wochen später saßen wir in Quarantäne. Und so erging es uns auch dieses Mal: Gerade als wir entschlossen die Handys in die Taschen fallen ließen, um den Moment und den kleinen Weg am Wasser mit unseren eigenen Augen zu genießen, war er auch schon zu Ende, sodass wir umdrehen mussten. Also alles wieder zurück, vorbei an den entgegenkommenden Menschen und hoch auf den Berg, um dort in ein Hüttchen für einen Kaffee einzukehren. Essen wollten wir nichts, denn dafür hatten die drei Schwaben (und eine selbsternannte Münchnerin) ja extra ein Picknick eingekauft. Das kann man allerdings nicht im Biergarten auspacken, weshalb wir 20 Meter weiterliefen und uns am Straßenrand auf unseren Reiseproviant stürzten. Und das, obwohl wir "gar keinen Hunger" hatten. Auf dem Weg zurück zum Auto ließen wir uns extra viel Zeit, damit die Fahrzeit wenigstens der Zeit in der Schlucht entsprach. Abends machten wir uns "mal so richtig schick" für Tapas in der "CORDO BAR" am Gärtnerplatz, um Münchens schicksten Schickeria Konkurrenz zu machen. Unsere schwäbischen Wurzeln wuchsen dann so richtig aus uns heraus, als wir lautstark mein Geburtstagsständchen sungen, um vielleicht einen Nachtisch aufs Haus zu bekommen. Der Tisch neben uns stieg sogar ein, doch es kam nichts. Auch nicht nach der zweiten Strophe. Und immer noch nicht nach der deutschen Version. Okay, dann nicht! Immerhin war das Essen ein Traum, unser Atem nach dem zehnten Aioli auch, weshalb wir weiter zur "High Bar" zogen, wo wir weitere Leute aus allen möglichen Bekanntenkreisen trafen. Die waren dann komischerweise auf einmal alle wieder weg, sodass wir unsere Unterhaltung in die Küche bei mir verlagerten … Heute Morgen musste Hannah für die Uni lernen, weshalb Heidi, Zelle und ich zu dritt brunchen gingen. Meine Devise: "Bitte raus aus meiner Straße, ich muss mal was Neues ausprobieren!" Wir schafften es bis zur Seitenstraße. Dann überfiel uns der Hunger. Jetzt sind die Mädels weg, ich liege wie eine Kartoffel auf dem Sofa und versuche zwanghaft die Bilder so zu bearbeiten, dass wir alle (ich) gut drauf aussehen. Ich lass es jetzt einfach. Es sind diese Wochenenden, an denen man merkt, dass man nicht mehr zu den Kids der "next new generation" gehört. An denen man mal im Spaß ausrechnet, wie lange man sich eigentlich schon kennt, und dann plötzlich auf 15 bzw. 18 Jahre kommt. Jo. Man wird alt. Und auch die Gesprächsthemen ändern sich: Wenn früher heiß diskutiert wurde, wer auf welcher Party mit wem "rumgemacht" hat, dann geht es heute darum, wer sich in welcher Quarantäne mit wem vermählt hat und wer nun schwanger ist.
Und genau in solchen Momenten wird einem auch klar, wie schön es ist, dass man so viele unterschiedliche Lebensetappen miteinander erlebt, und manchmal auch durchlebt hat. Dementsprechend gibt es dann auch wenig Überraschungen im gemeinsamen Urlaub. Apropos Überraschungen: Manche Menschen wären vielleicht überrascht über die Tatsache, dass ich seit 20 Jahren nach Flims in den Urlaub gehe und mich nach wie vor mit Navi (!) dreimal verirre. Aber da reagieren meine Mädels einfach cool, weil sie mich kennen. Zumindest bei der ersten Verirrung wurde noch gelacht. Zweite vielleicht noch geschmunzelt. Danach wurde nur noch registriert. Mir ist das peinlich, wirklich, aber zu meiner Verteidigung: Der Blog, den es übrigens auch schon seit fast 6 Jahren gibt, heißt nicht ohne Grund "Ohne Plan auf Weltreisen". Ich kann es nicht oft genug betonen. Von vorne: Nucki (Dauergast im Blog), Juli, Juli, Jojo, Paddy und ich planten ein Wochenende in der Schweiz, bevor sich Juli D. und Paddy für's Auslandsemester nach Oslo bzw. Ljubljana verabschiedeten. Da ⅚ aus Baden-Württemberg kamen und ⅙ aus München, planten wir, dass die anderen zu fünft gegen Mittag losfuhren und ich nach der Arbeit. Für mich der perfekte Plan, da ich mir schon ausmalte, wie ich ankäme und die dampfenden Töpfe auf dem Tisch standen und mich alle mit einem "Da bist du ja endlich!" (und eventuell einem kleinen Applaus) begrüßten. Doch dat war wohl nichts ... Denn ich hatte ein entscheidendes Detail vergessen: Ich hatte bei meiner Kalkulation vergessen, dass es außer mir auch noch andere Menschen geben könnte, die sich trotz Navi verfahren können. Und so trafen wir uns in der Garage - beide kamen gleichzeitig an. Welch "glücklicher Zufall" ... Nun ja, ich will mich nicht beschweren, schließlich zauberte Juli H. innerhalb kürzester Zeit Spaghetti mit Linsen-Bolognese, während ich die Drinks mixte. Für die 10k Schritte von Juli ging es noch raus auf einen Spaziergang, bevor unser privater Karaokeabend feat. Troy Bolton und Gabriella Montez (die 90er-Kids kennen's ...) startete. Am nächsten Tag planten wir akribisch unsere 90-Minuten-Wanderung zum Laaxer See, die passend zu Julis Fußproblemchen extra kürzer und zu 90 Prozent bergab gehen sollte. Ich möchte nicht mehr so viel darauf eingehen, aber es wurden 3 Stunden mit Höhen und Tiefen - nicht nur auf die Berge bezogen. Irgendwann kamen wir dank (Paddys Orientierungssinn und) meiner Intuition (, die keiner mehr ernst nahm) dann doch noch an. Vorbei der Groll, denn das, was uns die Schweiz bot, war ein Sommertag der Extraklasse. Abends freuten wir uns auf unser "Resteraclette" (Betonung liegt auf "Reste-" am zweiten Tag), bei dem wir wieder Carbonara-Pfännchen und Alman-Kartoffeln aßen. Heute gab ich nochmal mein Bestes als Guide und führte die motivierte Wanderverweigerergruppe vom Parkplatz zum See. Schade, dass ich währenddessen wieder so im Redefluss schwamm, dass ich die Abzweigung übersah, die zum Lift führte. Dann wurden es eben 20 Minütchen mehr, aber auch dieser Frust löste sich in Luft auf, als der Caumasee zum Vorschein kam. Der Caumasee ist türkis und umgeben von Bäumen mit einer kleinen Insel in der Mitte. Ich gehe dort immer mit meinen Freunden zum "flexen" hin, präferiere sonst aber den Laaxer See. Die Meute jedenfalls war begeistert und so scamten wir uns für "90 Minuten ins Restaurant", weil wir es nicht einsahen, 20 Franken für zwei Stunden See zu zahlen. Wirft möglicherweise nicht das beste Licht auf uns, aber ich finde die Schweizer Preise inzwischen nur noch ausländerfeindlich. So nämlich! Leider trennten sich danach unsere Wege wieder. Während ich alleine gen sonus untus über Österreich fuhr, konnten die anderen noch einen traditionellen Ausflug zum McDonald's an der Konstanzer Grenze machen. Was ich an dieser Stelle noch betonen möchte (um mich dann doch wieder im Fazit gut darzustellen): Das Wetter war wieder schlecht angesagt. Ich war mir sicher, dass es gut werde. Es wurde gut. Und ja, ich fühle mich dafür verantwortlich. #wennengelreisenlachtdiesonne Fast schon malerisch sieht es aus, dabei ist das Foto so gut wie gar nicht bearbeitet: Das Schloss Neuschwanstein bei Oberschwangau in Füssen ist zu schön, um davor irgendwelche kamerasüchtigen Mädels zu setzen. Es macht eins der wenigen Bilder auf meinem Handy aus, das auch ohne Menschen funktioniert.
Was man hier sieht, ist das Kunstwerk von König Ludwig II., der es leider nie im fertigen Zustand gesehen hat, da er kurz vor der Fertigstellung 1892 auf mysteriöse Art verstarb. Bis heute weiß niemand, was genau am 13. Juni 1886 geschah, doch mitten in besagter Nacht wurde er tot im Wasser aufgefunden. Beim Anblick dieses Prachtstücks ein echtes Drama. Fans gehen sogar so weit, dass sie es als das 8. Weltwunder bezeichnen. Also das Schloss, nicht den Tod von König Ludwig. Janina, deren Künstlername "JA9A" (englische "9") ist, seitdem ich den kreativen Gedankenblitz hatte, und ich waren jedenfalls begeistert. Und das, obwohl wir Menschen aus dem Schwabenländleee nicht mal die Tour gebucht hatten, in der man das Schloss auch von innen betrachten kann. "Lohnt sicher nicht." JA9A ist mein Buddy aus München, die gleichermaßen abenteuerlustig wie -hungrig ist (wobei man das "-" eigentlich restlos streichen kann), was mir selbstverständlich zugutekommt. Und da Bayern kulturell viel zu bieten hat, wollen wir die Wochenenden ausnutzen und unsere neue Heimat richtig kennenlernen. Dafür fährt man dann gerne auch 2 Stunden durch Deutschlands schönste Käffchen, um ganz viel bayerische Luft zu schnuppern. Um meinen Wetter-Optimismus optisch zu untermalen, zog ich eine kurze Hose an, die der Welt zeigen sollte: Das Wetter wird gut. Wie immer sollte ich recht behalten. In Oberschwangau angekommen, stellten wir uns direkt auf einen der unzähligen Touristenparkplätze, und fragten den netten Herrn am Parkplatzeingang, wie man denn schnellstmöglich zum Schloss gelange. Er zeigte uns den Weg, der angeblich 45 Minuten dauern sollte. Doch als wir nach den ersten 15 in Fahrt kamen und richtig froh waren, "dass wir heute laufen gehen und so lange an der frischen Luft sind", kam auch schon der erste Aussichtsspot, dicht gefolgt vom Eingang zum Schloss. Wow. Nach weiteren 5 Minuten stand man schon halb auf der nächsten Aussichtsplattform, von der aus man beide Schlösser sehen konnte: zu unserer Linken das prachtvolle Schloss Neuschwanstein und zu unserer Rechten das vergleichsweise mickrige Schloss Hohenschwangau, das so mickrig aussieht, dass ich dort auf jeden Fall 2 kamerafreudige Mädels setzen musste. Ja, das Schloss befindet sich links unten im Bild! Doch die Route ging weiter und so kamen wir an eine Weggabelung, die nach links abgesperrt war, und nach rechts weiterführte. "Keine Frage, wir gehen nach links!". Das sah wohl auch der "Türsteher" so, der uns mit einem "eigentlich müsste ich euch wegschicken, aber ich habe jetzt Mittagspause" entgegenkam. Also kletterten wir hoch, sprangen über den Stacheldrahtzaun, bei der eine von uns mit ihrer lässig-runterhängenden Jeansjacke im Zaun hängenblieb (...) und folgten den anderen Abenteurern auf den Hang, der einen wunderschönen Blick vom Schloss entblößte. Auch wenn ich dem Türsteher sehr dankbar bin, muss ich ehrlich zugeben, dass der Hang doch relativ gefährlich war, da steil bergab am anderen Ende und nicht abgesichert. Wieder unten angekommen (wir ließen uns extra Zeit, um wenigstens die 2 Stunden zu füllen), ergriff uns kurz die Wanderlust und wir fuhren weiter zum Alpsee, der etwa in 5 Minuten mit dem Auto zu erreichen ist. Ein kurzes Abwägen, "sollen wir noch bisschen laufen oder einfach auf den Steg hocken und dort endlich essen", wurde durch zwei hungrige Bäuche überschattet und so ließen wir den Tag auf dem Steg am See ausklingen, bevor wir uns ins Auto setzten und zurück nach München fuhren, das uns wieder mit einen sonnigen Lächeln entgegenstrahlte. Seit Jahren lauert der Wunsch in mir, Sprechtraining zu nehmen, um in (immer näher kommender) Zukunft mehr oder weniger akzentfrei zu sprechen. Das liegt nicht daran, dass ich meine schwäbische Herkunft verraten möchte, sondern finde ich reines Deutsch schlichtweg schöner anzuhören.
Wie auch immer: Um in "die Kunst des Sprechens" einzutauchen, kaufte ich mir das gleichnamige Buch von dem kleinen Hey, was ich mit auf die Reise im Zug nach Hamburg nahm, dessen Abteil ich mir mit zwei andern teilte. Das war optimal, da ich so relativ ungestört die Theorie in die Praxis umsetzen konnte und die "sieben sesshaften Sätze super sagen" konnte - um nur ein Beispiel zu nennen. Als ich bei Ale in Hamburg ankam, war ich fertig mit der Lektion und probierte mein aufgefrischtes Hochdeutsch direkt an denen aus, die es ja wissen müssten. Gleich auf der Brücke an der Alster lernten wir Masssssimo (perfekt zum Üben!) kennen, der auf meine Frage: „Kannst du kurz ein Foto von uns machen?" mit einem „Ihr seid aus dem Süden, oder?" konterte. Danke, Massimo! Witzig war, dass Massimo ursprünglich selbst aus dem Süden kam, Halbgrieche war und den italienischen Namen trug, weil sich seine Eltern bei der Namensgebung weder auf einen griechischen noch deutschen Namen einigen konnten, weshalb es letztendlich ein italienischer wurde. Und da; wie aus dem Nichts; auf einmal stand er vor mir: Der Held meiner Kindertage, meiner Jugendtage und tatsächlich auch heute noch eines meiner größten Idole: Günther Jauch. Unscheinbar, etwas älter als gedacht, groß und schlank, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt. Ich hatte ihn gesehen, unsere Blicke trafen sich und er wusste: „Ne, die ignoriere ich jetzt!" Was ich auch verstehen konnte und auch musste, nachdem ich erst zum Vollsprint angesetzt hatte, um eines meiner „berühmten" Promifotos abzuholen, und dann von Ale zurückgeholt wurde, weil sie zurecht meinte, dass es doch schöner wäre, ihn mit seiner Familie wie einen ganz normalen Menschen zu erleben, statt ihn mit meinen Fotos zu belästigen. Zufällig war auch ein alter Arbeitskollege von mir in der Nähe, Anton, der uns mehr oder weniger eine kulturelle Stadtführung servierte, da er selbst schon etwa 10 Jahre in Hamburg lebt. Er führte uns vorbei am SAP-Gebäude, zum Jungfernstieg, über die Elbphilharmonie und zum neuen Wall, wo wir die obligatorische Innstadt-Autoparade von irgendwelchen Deppen miterleben durften, die meinten, es sei cool mit Mietwägen im Kreis zu fahren und dabei die Fußgängerwege mit viel Lärm um nichts unsicher zu machen. Love it! Unsere spontane Kulturführung schloss Anton mit den Worten „Ach, macht doch was ihr wollt!" ab, da Ale und ich meinten, wir kennen uns besser aus und eine andere Richtung einschlugen. Zuhause gab es dann Pizza und Bridget Jones - so wie es sich eben gehört. Den Sonntag starteten wir zunächst mit einem Pamela-Workout, Power-Pancakes und poppiger Musik (ich übe immer noch), bevor es an diesem zweiten, wundervollen Tag zu den Landungsbrücken und anschließend an den Elbstrand ging. Wir waren am Strand von Oevelgönne und es fühlte sich an wie der perfekter Sommertag. Und das im Februar, dem grausten aller Monate. Zurück ging es dann über die Hafencity direkt zum Kiez in St. Pauli, wo wir uns einen Ausflug zur weltberühmten Herbertstraße nicht entgehen lassen konnten. Ob es in der heutigen Zeit noch in Ordnung ist, dass es eine Straße gibt, deren Zutritt für Frauen verboten ist? Ich denke schon. Definitiv. Die Reeperbahn war wie leergefegt und trotzdem bekam man ein gutes Gefühl dafür, was wohl abgeht, wenn sie im vollen Gange ist. Ale fand das faszinierend, ich muss für meinen Teil sagen, dass ich dafür wohl zu konservativ bin. Mich stoßen solche Ecken ab, wo Körper, Körper und nichts als Körper dargestellt, verkauft und gefeiert werden. Trotzdem meinten wir beide, dass es bestimmt spannend wäre, einen Abend zu erleben, an dem die Reeperbahn aufwacht. Fragt sich nur, wann. Abends verpasste ich beinahe meinen Geburtstag, da ich um 7 vor Mitternacht im Halbkoma vor Müdigkeit lag. Doch ein Glück weckte mich mein Körper um 00:02 Uhr mit einem kratzenden Husten, ausgelöst durch die Pollen (!!!), die mir am nächsten Tag zu schaffen machten, so frühlingshaft war das Wetter. Am Montag wurde ich von einem Sektfrühstück mit echten Hamburger Franzbrötchen und Sonnenschein geweckt. Besser geht es wohl am 24. Geburtstag nicht. Zur Feier des Tages und auf Ales Wunsch durfte ich mir eine eigene Limettentarte backen, die mir mal wieder gelungen ist (es geht doch nichts über ein gesundes Selbstvertrauen). Mittags holten wir Ella, den kleinen Welpe von Ales mysteriösem Chef, ab und setzten uns mit einer Pizza und einem Bierchen an die Alster. Heute Morgen machte ich einen letzten 10k-Walk und besuchte die Villa von Joop, die seltsamerweise offen stand (…), den Deutschen Tennis Bund und den NDR, einfach um zu sehen, wo ich mich beworben hatte, während Ale arbeitete. Und wie immer kam ich zu dem Schluss: Man kann sich doch immer auf sein Schicksal verlassen. Dass München keine Pendlerstadt ist, merkt man daran, dass es die Leute an den Wochenenden hierherzieht. Man will hier sein, und das trotz Corona. Hier gibt es viel zu sehen, zu bewandern und kennenzulernen.
In Karlsruhe war das anders. Wie oft ich an den Wochenenden alleine war und lernen musste, mit mir selbst auszukommen, weil die Stadt wie leergefegt war. Das Tages-Highlight war oftmals die Arbeit bei Vapiano, weil man da in Kontakt mit den letzten Verbliebenen treten konnte. Hier ist wiederum immer etwas los. Dieses Wochenende kam Richard vorbei, ein alter - uralter - Tennisfreund, der mit mir zusammen auf dem Tennisplatz aufgewachsen ist. Gestern ist uns plötzlich aufgefallen, dass es fast 20 Jahre sind, die wir uns inzwischen kennen - und genau in solchen Momenten merkt man, wie alt man schon ist, ohne, dass sich viel verändert hat. Wie man unschwer auf dem Bild unten erkennen kann, hat sich mein Style (ganz rechts) eindeutig nicht verändert, und so bin ich der Meinung, dass ich damals schon ein Feingespür für klassisch-ausgefallene Outfits hatte. Richard ist übrigens der zweite von links. Außer Michel (Mitte) kennt man den Rest auch aus meinem Blog... Wahrscheinlich hat sich auch viel verändert, bloß ging vieles in dieselbe Richtung und meine Argentinienpleite war quasi der Auslöser für ein neues Tennismatch mit Richard - dieses Mal im Großfeld. Gestern also kam er zu uns in die WG und wir machten einen Ausflug zum Wörthsee in der Nähe von München. Und das war nicht ohne, immerhin fasst er einen Umfang von 12 Kilometern. Ursprünglich hatte ich geplant, zum Rauhkopf zu fahren und dort zu wandern, doch mein Zeitmanagement hatte dabei leider nicht die Abenddämmerung kalkuliert, die im Normalfall zu dieser Jahreszeit ab 17:18 Uhr einsetzt, weshalb die anfänglichen Bergsteigerambitionen schnell wieder heruntergeschraubt wurden. Die Route war „definitiv nicht weiterzuempfehlen“. In der Tat war es ein Weg, bei dem man den See nicht wirklich oft zu Gesicht bekommt. Ich hatte so etwas im Internet gelesen, wollte aber nicht weiterlesen, denn I „don’t judge a book by its cover“… Nichtsdestotrotz war die Tour ein echtes Erlebnis, weil wir mit die Einzigen waren, die bei dem Wetter wandern wollten. Auf Richards „ich liebe es, wenn man sich verirrt“ konterte ich direkt mit 3 Verirrungen, die uns zwischendrin auf die Autobahn, eingebrochene Seeplatten und einem Steg auf Privatgrundstück führten. Dieser Blog heißt nicht ohne Grund "Ohne Plan auf Weltreise"... Letztendlich kamen wir aber tatsächlich wieder am Auto an und fuhren (Achtung, Déjà-vu von letztem Sonntag) völlig durchnässt und mit abgestorbenen Füßen (diesmal wörklich!) zurück zu meinen Mitbewohnern, die bereits mit geköpfter Sektflasche und einem Topf Nudeln auf uns warteten (okay, das war vielleicht ein bisschen euphemistisch, aber die Nudeln stimmen!). Der Sekt stammte von Richard, der mit uns sein 1. Staatsexamen feierte und dessen Sektflaschenboden wir uns anschließend genauer anschauten (if you know what I mean)… Heute Morgen, 10 Uhr, waren wir tatsächlich auf einem Gottesdienst in der St.-Josef-Kirche, weil ich das jetzt seit letztem Sonntag regelmäßig mache. Es tat gut, war allerdings auch das einzige, was ich noch an Programm bieten konnte, da „die besten Wochenenden doch die sind, die man nicht plant“. Ob das meine Gäste auch immer so unterschreiben würden? I doubt it. |
Verlauf
January 2024
|